Immanuel Kant

Analytik des Schönen

herausgegeben von Peter Mahr

Wien: www.univie.ac.at 2010

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, 2009/2010





Redaktionelle Vorbemerkung des Herausgebers

Erstes Moment des Geschmacksurteils der Qualität nach

§ 1. Das Geschmacksurteil ist ästhetisch

§ 2. Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurteil bestimmt, ist ohne Interesse

§ 3. Das Wohlgefallen am Angenehmen ist mit Interesse verbunden

§ 4. Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden

§ 5. Vergleich der drei spezifischen Arten des Wohlgefallens

Zweites Moment des Geschmacksurteils der Quantität nach

§ 6. Das Schöne ist, was ohne Begriff als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird

§ 7. Vergleich des Schönen mit dem Angenehmen und Guten durch das genannte Merkmal

§ 8. Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurteil nur als subjektiv vorgestellt

§ 9. Untersuchung der Frage, ob im Geschmacksurteil das Gefühl der Lust vor oder nach der Beurteilung des Gegenstands auftritt

Drittes Moment des Geschmacksurteils nach der Relation der Zwecke, die in ihnen in Betracht gezogen wird

§ 10. Von der Zweckmäßigkeit überhaupt

§ 11. Das Geschmacksurteil hat nur die Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstands oder dessen Vorstellungsart zur Grundlage

§ 12. Das Geschmacksurteil beruht auf Gründen a priori

§ 13. Das reine Geschmacksurteil ist von Reiz und Rührung unabhängig

§ 14. Erläuterung durch Beispiele

§ 15. Das Geschmacksurteil ist vom Begriff der Vollkommenheit gänzlich unabhängig

§ 16. Das Geschmacksurteil, durch das ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs für schön erklärt wird, ist nicht rein

§ 17. Vom Ideal der Schönheit

Viertes Moment des Geschmacksurteils nach der Modalität des Wohlgefallens am Gegenstand

§ 18. Was die Modalität eines Geschmacksurteils ist

§ 19. Die subjektive Notwendigkeit, die wir dem Geschmacksurteil beilegen, ist bedingt

§ 20. Die Bedingung der Notwendigkeit, die ein Geschmacksurteil vorgibt, ist die Idee eines Gemeinsinns

§ 21. Ob man mit Grund einen Gemeinsinn voraussetzen kann

§ 22. Die Notwendigkeit der allgemeinen Zustimmung, die in einem Geschmacksurteil gedacht wird, ist eine subjektive Notwendigkeit, die unter Voraussetzung eines Gemeinsinns als objektiv vorgestellt wird

Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitt der Analytik




Redaktionelle Vorbemerkung des Herausgebers

Dass eine Redaktion des Texts möglich und wünschenswert ist, zeigen mehrere Stellen: der Satz am Ende des 6. Absatzes von § 14 oder die aus einer unvollständig durchgeführten Satzteilung hervorgehende falsche Wortstellung von “man einen Verstand haben würde“ (B 48) oder die verbesserbare Formulierung „Es ist kein Begriff von irgendeinem Zwecke, wozu das Mannigfaltige dem gegebenen Objekte dienen, und was dieses also vorstellen solle, vorausgesetzt, wodurch die Freiheit der Einbildungskraft, die in Beobachtung der Gestalt gleichsam spielt, nur eingeschränkt werden würde“ oder der lange Satz im Wechsel von der Seiten B 55f. oder wenn das „sie“ von „sie zuletzt in der Idee eines Gemeinsinns zu vereinigen“ unbestimmt erscheint.

Diese Beobachtungen führen mich neben anderen Erfahrungen und Kenntnissen zu der Vermutung, dass Kant die Analytik des Schönen zu Beginn der Abfassung der „Kritik der Urteilskraft“ zuerst schnell niedergeschrieben und zum Schluß aus Zeitmangel nur mehr punktuell überarbeitet hat. Mit einer an diesem Faktum ansetzenden Redaktion möchte ich die Textgestalt verbessern, dabei den Lesefluss aufrecht erhalten beziehungsweise steigern sowie die Wörter ersetzen, die heute nicht mehr im Gebrauch sind.

Im Einzelnen haben mich folgende Gesichtspunkte geleitet.

In Beachtung der der heutigen Rechtschreibung und Schreibweise stehen nun muss und dass, „Gegenstands“ statt „Gegenstandes“, „die Erkenntnis“ statt dem heute allein juristisch gebrauchten „das Erkenntnis“.

Ich habe, wenn vertretbar, geschrieben „nur“ statt „bloß“/„lediglich“, „somit“ oder „damit“ statt „mithin“, „darf“ statt „muss“ (gemäß einer mitgedachten Übersetzung von englisch „must not“), „ist“ statt „sei“, „überhaupt“ statt „schlechterdings“, „immer“ statt „jederzeit“, „immer dann“ statt „allemal“, „nichts“ statt „gar nichts“ (B 4), „einfachsten“ statt „gemeinsten“, „dessen“ statt „desselben“, „.“ statt „;“, „jedem“ statt „jedermann“, „Anbetracht“ oder „beim“ statt „Ansehung“ und „Kontrast“ statt „Abstechung“ wie schon bei Kant selbst (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Akademie-Ausgabe Bd. VII, 162).

Entgegen Kants lateinischer Wortstellung habe ich, wo möglich, Verben vorgezogen und speziell vor auf sie folgende Nebensätze gestellt.

Abkürzungen habe ich aufgelöst. Wortergänzungen habe ich öfters vorgenommen wie zum Beispiel „wenn jene Vorstellungen nur im Urteil auf das Objekt bezogen werden“ statt „wenn jene nur im Urteile auf das Objekt bezogen werden“ (B 5). Auch habe ich manche Nomina und Adverben wiederholt oder ergänzt, etwa nach „dasjenige“, „desselben“ oder „beider“, wenn es der besseren Verständlichkeit dient.

Sätze habe ich, wo möglich und wünschenswert, zerlegt. Klammern wurden in Nebensätze et cetera aufgelöst. Überflüssige Kommata sind nun getilgt. Meine Haupttätigkeit bestand darin, die komplexen Satzgebilde – zu denen Kant neben seinem Denkstil durch die erst wenige Jahrzehnte alte deutsche philosophische Sprache bei lateinischem Hintergrund und barockem Konversationsstil neigte – zu zerlegen. Den unnötigen Verstehensaufwand eines retrospektiven Identifizierens von Begriffen wollte ich umgehen. Allgemeine Devise: Wo ein Satz gemacht werden kann, wird er gemacht. Das geschah, wie ich glaube im Sinn Kants selbst, wenn es schon bei ihm heißt „bei der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung ...“ (B 37). Auf dieser Linie sollten nun auch eingeschobene Wortgruppen nicht mehr vorkommen. In seltenen Fällen habe ich ein Rufezeichen anstelle eines Punkts gesetzt, und ein Semikolon wurde immer durch einen Punkt ersetzt. Die Sätze der §-Titel habe ich ohne Punkte wiedergegeben. Kursiv- und Fettsetzungen habe ich durchgängig übernommen, mit Ausnahme von „gegeben wird“ statt wie vorher „gegeben wird(B 27). Fremdwörter, wenn nicht in Klammern, sind nun kursiv gesetzt. Selten habe ich eine (Neu-)Abteilung von Absätzen vorgenommen. Einmal habe ich, um den langen semantischen Verlauf durch Gewichtung zu klären, „wie ein objektives“ (B 67) kursiv gesetzt.

Eine sachliche Korrekturen gibt es auch: „Das Moment der Qualität“ korrigiert und ersetzt nun „Die <Momente> der Qualität“ (Fußnote B 4).

Grammatikalisch wurden Fallfehler beseitigt und der Konjunktiv durch den Indikativ ersetzt, wann immer es inhaltlich vertretbar schien.

Nicht gewidmet habe ich mich den zahlreichen Redundanzen, etwa zu Beginn des § 17. Sie teilen sich in offensichtlich überflüssige Wiederholungen, solche, die bei neuen Überlegungen wieder aufgegriffen werden, und solche, die es nur auf den ersten Blick sind. Davon habe ich hier die Finger gelassen. Eingriffe hier brächten erhebliche Umstellungen und in der Folge Bearbeitungen mit sich, die wahrscheinlich auf eine Interpretation Kants hinausliefen. Die Ausnahme ist im ersten Absatzes von § 6, aus dem ich gestrichen habe: „folglich muß er glauben Grund zu haben, jedermann ein ähnliches Wohlgefallen zuzumuten.“

Hat der Text nun einen anderen Stil? Gewissermaßen. Eine geregelte Stilistik ist es dennoch nicht. Jedenfalls habe ich die vielen „denn“, „aber“, „also“, „auch“, wo immer möglich, entfernt. Auch wurden „aber“ umgestellt, und statt „sein kann“ steht nun öfter „ist“. Das gleichsetzende oder explikative „ist“ habe ich durch andere Verben ersetzt. Von Kants Stil bleibt noch genug übrig.

Entsprechend der Edition der Kritik der Urteilskraft von http://www.univie.ac.at/immanuel_kant_kritik_der_urteilskraft/ wurde die Paginierung der zweiten Auflage von 1793 (B) in der Schreibweise „<Bx/y>“, wobei x für eine Seite und y für die auf x folgenden Seite steht, so nahe dem ursprünglichen Ort wie möglich vorgenommen. Wie schon dort wurden die fünf Fußnoten der „Analytik des Schönen“ zwischen „(( ))“ gestellt und mit diesen doppelten Klammern unmittelbar anstelle des Fußnotenverweises angehängt.

Wien, September 2010











Immanuel Kant

Analytik des Schönen





Erstes Moment des Geschmacksurteils((Die Definition des Geschmacks, die hier zugrunde gelegt wird: er ist das Vermögen der Beurteilung des Schönen. Was erforderlich ist, um einen Gegenstand schön zu nennen, muss die Analyse der Urteile des Geschmacks enthüllen. Die Momente, auf die diese Urteilskraft in ihrer Reflexion achtet, habe ich nach <B3/4> Anleitung der logischen Funktionen des Urteilens aufgesucht, denn im Geschmacksurteil ist noch immer eine Beziehung zum Verstand enthalten. Zunächst habe ich das Moment der Qualität in Betracht gezogen, weil das ästhetische Urteil über das Schöne zuerst darauf Rücksicht nimmt.)) der Qualität nach



§ 1. Das Geschmacksurteil ist ästhetisch



Um zu unterscheiden, ob etwas schön ist oder nicht, beziehen wir die Vorstellung für die Erkenntnis nicht durch den Verstand auf das Objekt, sondern durch die Einbildungskraft (B3/4) auf das Subjekt und dessen Gefühl der Lust oder Unlust. Dabei ist vielleicht die Einbildungskraft mit dem Verstand verbunden. Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil. Es ist daher auch nicht logisch, sondern ästhetisch. Darunter versteht man das, dessen Bestimmungsgrund nur subjektiv ist. Es kann aber jede Beziehung der Vorstellungen, selbst die Beziehung der Empfindungen, objektiv sein. Sie bedeutet dann das Reale einer empirischen Vorstellung. Es geht aber nicht um die Beziehung auf das Gefühl der Lust und Unlust, durch die ja am Objekt nichts bezeichnet wird, sondern um diejenige, in der das Subjekt sich selbst so fühlt, wie es durch die Vorstellung affiziert wird.

Ein regelmäßiges, zweckmäßiges Gebäude dem Erkenntnisvermögen in deutlicher oder verworrener Vorstellungsart auszusetzen, ist etwas anderes, als sich dieser Vorstellung mit einer Empfindung des Wohlgefallens bewusst zu sein. Bei diesem Bewusstsein wird die Vorstellung mit dem Namen des Gefühls der Lust oder Unlust zur Gänze auf das Subjekt bezogen und zwar auf sein Lebensgefühl. Diese Beziehung bildet ein besonderes Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögen und trägt zur Erkenntnis nichts bei. Vielmehr hält diese Beziehung nur die eine Vorstellung gegen das ganze Vorstellungsvermögen, die im Subjekt <B4/5> gegeben ist. Das Gemüt wird sich dieses Vermögens im Gefühl seines Zustands bewusst. Die gegebenen Vorstellungen in einem Urteil können also empirisch und damit ästhetisch sein. Das Urteil aber, das durch sie gefällt wird, ist logisch, wenn nur jene Vorstellungen im Urteil auf das Objekt bezogen sind. Wenn jedoch umgekehrt die gegebenen Vorstellungen sogar rational, im Urteil aber nur auf das Subjekt und sein Gefühl bezogen sind, dann sind sie immer ästhetisch.



§ 2. Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurteil bestimmt, ist ohne Interesse



Interesse wird jenes Wohlgefallen genannt, das wir mit der Vorstellung der Existenz eines Gegenstands verbinden. Ein solches Wohlgefallen hat daher immer auch eine Beziehung zum Begehrungsvermögen – entweder als sein Bestimmungsgrund oder wenigstens als notwendiger Zusammenhang zu ihm. Nun will man auf die Frage, ob etwas schön ist, nicht wissen, ob uns oder jemandem anderen an der Existenz der Sache gelegen ist oder auch nur sein könnte. Man will vielmehr wissen, wie wir die Sache in der bloßen Betrachtung in Anschauung oder Reflexion beurteilen.

Wenn mich jemand fragt, ob ich den Palast vor mir <B5/6> schön finde, so kann ich zwar sagen, dass ich Dinge nicht liebe, die nur zum Angaffen gemacht sind. Der irokesische Sachem kann sagen, dass ihm in Paris nichts besser als die Garküchen gefallen. Ich kann darüber hinaus auf gut rousseauisch über die Eitelkeit der Großen zetern, die den Schweiß des Volks für entbehrliche Dinge verwenden. Und dann kann ich mich ohne weiteres überzeugen, dass, wenn ich auf einer unbewohnten Insel ohne Hoffnung auf Rückkehr zu den Menschen durch den Wunsch allein ein Prachtgebäude hinzauberte, ich mir auch nicht die Mühe gäbe, eine ausreichend bequem Hütte zu haben. Das alles mag man mir einräumen und zubilligen. Nur, davon ist jetzt nicht die Rede. Man will allein wissen, ob die bloße Vorstellung des Gegenstands in mir von Wohlgefallen begleitet ist, wie gleichgültig auch immer mir die Existenz des Gegenstands der Vorstellung ist. Man sieht unschwer, dass, um zu sagen, ein Gegenstand sei schön, und zu beweisen, dass ich Geschmack habe, es darauf ankommt, was ich aus der Vorstellung in mir mache, und nicht auf das, womit ich von der Existenz des Gegenstands abhänge. Jeder muss eingestehen, dass das Urteil über die Schönheit, in das sich das geringste Interesse einmischt, parteilich und kein reines Geschmacksurteil ist. Man darf also in keiner Weise für die Existenz einer Sache eingenommen, <B6/7> sondern muss ihr gegenüber völlig gleichgültig sein, um in Sachen des Geschmacks den Richter spielen zu können.

Wir können diesen Satz, der von vorzüglicher Erheblichkeit ist, nicht besser erläutern, als wenn wir im Geschmacksurteil dem reinen, uninteressierten((Ein Urteil über einen Gegenstand des Wohlgefallens kann gänzlich uninteressiert, aber doch sehr interessant sein. Das heißt, es beruht auf keinem Interesse, bringt aber eines hervor. Dergleichen Urteile sind rein moralische Urteile. Aber Geschmacksurteile begründen an sich auch gar kein Interesse. Nur in Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben, wovon der Grund aufgezeigt werden wird.)) Wohlgefallen dasjenige entgegensetzen, das an Interesse gebunden ist. Wir können das besonders dann tun, wenn wir gewiss sind, dass es nicht mehrere Arten des Interesses gibt. Diese sollen jetzt namhaft gemacht werden.



§ 3. Das Wohlgefallen am Angenehmen ist mit Interesse verbunden

 

Angenehm ist, was den Sinnen in der Empfindung gefällt. Hier ergibt sich sofort die Gelegenheit, auf die gewohnte Verwechslung der zwei Bedeutungen des Worts Empfindung aufmerksam zu machen und diese zu rügen. Jedes Wohlgefallen, so sagt oder denkt man, ist Empfindung einer Lust. Damit ist alles, was <B7/8> gefällt, gerade dadurch, dass es gefällt, angenehm und in verschiedenen Graden oder Verhältnissen zu anderen angenehmen Empfindungen anmutig, lieblich, ergötzend, erfreulich und so weiter. Wird aber das eingeräumt, so sind diejenigen Eindrücke der Sinne einerlei, die die Neigung oder die Grundsätze der Vernunft, den Willen oder die bloß reflektierten Formen der Anschauung bestimmen und die Urteilskraft in Wirkung auf das Gefühl der Lust noch dazu. Diese Wirkung wäre Annehmlichkeit in der Empfindung eines Zustands. Da aber letztlich alle Bearbeitungen unserer Vermögen auf das Praktische hinauslaufen und in ihm als ihrem Ziel vereinigt werden, kann man ihnen keine andere Wertschätzung der Dinge als die des Vergnügens zumuten, das sie versprechen. Wie sie dazu gelangen, darauf kommt es nicht an. Da nur die Wahl der Mittel den Unterschied ausmacht, können Menschen einander wohl der Torheit und des Unverstands, nicht aber der Niedertracht und Bosheit beschuldigen. Laufen sie doch alle je nach Sicht der Dinge auf das Vergnügen hinaus!

Wenn eine Bestimmung des Gefühls der Lust oder Unlust Empfindung genannt wird, so bedeutet dieser Ausdruck etwas anderes, als wenn ich mit Empfindung die Vorstellung einer Sache durch Sinne als eine zum Erkennt<B8/9>nisvermögen gehörige Rezeptivität bezeichne. In diesem Fall wird die Vorstellung auf das Objekt bezogen, in jenem aber auf das Subjekt und dient dann zu keiner Erkenntnis, auch nicht derjenigen, durch die sich das Subjekt selbst erkennt. Wir verstehen aber in dieser Erklärung mit dem Wort Empfindung eine objektive Vorstellung der Sinne. Um nicht Gefahr zu laufen, mißverstanden zu werden, wollen wir das, was nur subjektiv ist und keine Vorstellung eines Gegenstands sein kann, mit dem sonst üblichen Namen des Gefühls benennen. Die grüne Farbe der Wiese gehört als Wahrnehmung eines Gegenstands der Sinne zur objektiven Empfindung. Die Annehmlichkeit der Wahrnehmung aber, durch die kein Gegenstand vorgestellt wird, gehört zur subjektiven Empfindung, also zum Gefühl. Dadurch wird der Gegenstand als ein Objekt des Wohlgefallens betrachtet, das keine Erkenntnis von ihm abgibt.

Dass mein Urteil über einen Gegenstand, mit dem ich ihn für angenehm erkläre, ein Interesse an ihm ausdrückt, ist schon deswegen klar, weil durch eine Empfindung eine Begierde nach solchen Gegenständen geweckt wird. Damit setzt das Wohlgefallen nicht ein bloßes Urteil über den Gegenstand voraus, sondern auch die Beziehung seiner Existenz zu meinem Zustand, sofern dieser durch den Gegenstand affiziert wird. Man sagt daher vom Ange<B9/10>nehmen nicht nur, dass es gefällt, sondern auch, dass es vergnügt. Ich widme ihm nicht nur Beifall, sondern es wird durch das Vergnügen auch meine Neigung zu ihm erzeugt. Was auf lebhafte Art angenehm ist, erfordert kein Urteil über die Beschaffenheit des Objekts. So enthalten sich auch diejenigen, die immer nur aufs Genießen aus sind – denn dieses ist das Wort für das Innige des Vergnügens – , gern allen Urteils.


§ 4. Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden



Gut ist, was durch Vernunft oder den bloßen Begriff gefällt. Wir nennen einiges zu etwas gutdas Nützliche – , das nur als Mittel gefällt. Anderes nennen wir an sich gut, wenn es für sich selbst gefällt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks enthalten, somit das Verhältnis der Vernunft zu einem zumindest möglichen Wollen. Folglich ist das Wohlgefallen am Dasein eines Objekts oder einer Handlung und damit ein Interesse enthalten.

Um etwas gut zu finden, muss ich jederzeit wissen, was für ein Ding der Gegenstand sein soll. Ich muss von ihm einen Begriff haben. Um Schönheit an etwas zu finden, habe ich das nicht nötig. Blumen, freie Zeichnungen, ohne Absicht ineinander geschlungene Züge <B10/11> mit dem Namen Laubwerk bedeuten nichts. Sie hängen von keinem bestimmten Begriff ab. Und doch gefallen sie. Das Wohlgefallen am Schönen muss von der Reflexion über einen Gegenstand abhängen, die zu einem wie auch immer unbestimmten Begriff führt. Das Schöne unterscheidet sich dadurch auch vom Angenehmen, das ganz auf Empfindung beruht.

Zwar scheint das Angenehme in vielen Fällen mit dem Guten einerlei zu sein. So wird man für gewöhnlich sagen, alles primär dauerhafte Vergnügen sei an sich selbst gut. Das heißt so viel wie, dass dauerhaft angenehm oder gut zu sein, dasselbe ist. Man merkt aber bald, dass es nur eine fehlerhafte Wortvertauschung ist. Das Angenehme, das als solches den Gegenstand nur in Bezug auf die Sinne vorstellt, muss zuerst durch den Begriff eines Zwecks unter Prinzipien der Vernunft gebracht werden. Erst damit kann es als Gegenstand des Willens gut genannt werden. Wenn ich das Vergnügliche zugleich gut nenne, handelt es sich um eine andere Beziehung zum Wohlgefallen. Das ist daran zu erkennen, dass beim Guten immer fraglich ist, ob es nur mittelbar gut und nützlich oder unmittelbar und an sich gut ist. Beim Angenehmen dagegen steht außer Frage, dass das Wort immer <B11/12> etwas bedeutet, das unmittelbar gefällt. So ist es auch mit dem bewandt, das ich schön nenne.

Die Vernunft wird sich nie dazu überreden lassen, dass die Existenz eines Menschen, der nur zum Genuss lebt, wertvoll <B12/13> ist. Das gilt sogar, wenn er auch nur denjenigen dazu verhilft, die auf diesen Genuss aus sind. Er geniesst dann in seiner Sympathie das Vergnügen mit. Und er gibt seinem Dasein als Existenz einer Person absoluten Wert nur damit, was er ohne Rücksicht auf Genuss, in voller Freiheit und unabhängig davon tut, was die Natur auch passiv ihm verschaffen könnte. Hier ist die Glückseligkeit in der ganzen Fülle ihrer Annehmlichkeit bei weitem nicht ein unbedingtes Gut. So ist Verbindlichkeit des Genießens offenbar eine Ungereimtheit. Eine angebliche Verbindlichkeit von allen Handlungen ist ungereimt, wenn sie nur Genuss zum Ziel hat, mag dieses Ziel wie etwa ein mystischer und sogenannter himmlischer Genuss so verbrämt und geistig ausgedacht sein, wie es wolle.

Ungeachtet all der Verschiedenheit zwischen dem Angenehmen und Guten kommen diese beiden doch in Einem überein. Sie sind jederzeit mit Interesse an ihren Gegenstand gebunden. Nicht nur das Angenehme wie in § 3 und das mittelbar Gute oder Nützliche, das als Mittel zu einer Annehmlichkeit gefällt, sind derart gebunden. Auch das unter allen Umständen und in aller Absicht moralische Gute, das das höchste Interesse mit sich bringt, ist es. Denn das Gute ist das Objekt des Willens, das Objekt eines durch Vernunft bestimmten Begehrungsvermögens. Etwas wollen, ein Wohlgefallen an dessen Dasein finden und Interesse nehmen sind identisch.



§ 5. Vergleich der drei spezifischen Arten des Wohlgefallens



Das Angenehme und das Gute haben eine Beziehung zum Begehrungsvermögen. Sie tragen damit ein durch Anreize oder stimulos entweder pathologisch-bedingtes oder reines, praktisches Wohlgefallen mit sich. Dieses Wohlgefallen wird nicht nur durch die Vorstellung des Gegenstands, sondern auch durch die vorgestellte Verbindung des Subjekts mit der Existenz des Gegenstands bestimmt. Nicht nur der Gegenstand also, sondern auch die Existenz desselben gefällt. Dagegen ist das Geschmacksurteil kontemplativ. Es ist ein Urteil, das hinsichtlich des Daseins eines Gegenstands indifferent bleibt und nur seine Beschaffenheit mit dem Gefühl der Lust und Unlust zusammenbringt. Das Geschmacksurteil ist weder ein theoretisches, noch ein praktisches Erkenntnisurteil und daher als Kontemplation auch nicht auf Begriffe gegründet oder ausgerichtet.

Das Angenehme, das Schöne und das Gute bezeichnen drei Verhältnisse der Vorstellungen <B14/15> zum Gefühl der Lust und Unlust. Mit ihnen unterscheiden wir Gegenstände oder Vorstellungsarten. Auch sind die Ausdrücke für Komplazenz, die jenen Verhältnissen angemessenen sind, nicht einerlei. So heißt angenehm, was vergnügt, schön, was nur gefällt, und gut, was geschätzt und gebilligt sowie als objektiver Wert gesetzt wird. Annehmlichkeit gilt auch für vernunftlose Tiere. Schönheit gilt aber nur für Menschen. Sie gilt für tierische und zugleich vernünftige Wesen, also nicht nur für vernünftige Wesen – etwa Geister – , sondern für diejenigen, die zugleich fleischliche Wesen sind. Das Gute gilt für jedes vernünftige Wesen überhaupt, was seine vollständige Rechtfertigung und Erklärung erst bekommen wird.

Man kann sagen, dass von diesen drei Arten des Wohlgefallens einzig und allein dasjenige des Geschmacks am Schönen ein uninteressiertes und freies Wohlgefallen ist. Kein Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, erzwingt Beifall. Daher könnte man vom Wohlgefallen sagen, dass es sich in den genannten Fällen auf Neigung, Gunst oder Achtung bezieht. Gunst ist das einzige freie Wohlgefallen. Ein Gegenstand der Neigung dagegen und einer, der uns durch ein Vernunftgesetz zum Begehren auferlegt wird, lassen uns nicht die Freiheit, uns aus irgend etwas einen Gegenstand der Lust zu machen. Ein jedes Interesse setzt ein Bedürfnis voraus <B15/16> oder bringt eines hervor. Es lässt als Bestimmungsgrund des Beifalls das Urteil über den Gegenstand unfrei werden.

Was das Interesse der Neigung beim Angenehmen betrifft, so sagt jeder, der Hunger sei der beste Koch, oder Leuten mit gesundem Appetit schmecke alles, was nur essbar ist. Ein solches Wohlgefallen beweist keine Wahl durch Geschmack. Nur wenn Bedürfnisse befriedigt sind, lässt sich unterscheiden, wer Geschmack hat und wer nicht. Genauso gibt es Sitten oder Verhaltensweisen ohne Tugend, gibt es Höflichkeit ohne Wohlwollen, Anständigkeit ohne Ehrbarkeit. Wo das sittliche Gesetz spricht, gibt es objektiv nicht die freie Wahl dessen, was zu tun ist. Geschmack in seiner Äußerung oder am Urteil anderer zu zeigen, ist etwas anderes, als seine moralische Denkweise zu äußern. Diese Denkweise enthält ein Gebot und bringt ein Bedürfnis hervor. Dagegen spielt der sittliche Geschmack mit den Gegenständen des Wohlgefallens nur, ohne sich an einen Gegenstand zu hängen.

Aus dem ersten Moment gefolgerte Erklärung des Schönen

Geschmack ist das Beurteilungsvermögen eines Gegenstands oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen ohne Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt schön.



<B16/17> Zweites Moment des Geschmacksurteils der Quantität nach



§ 6. Das Schöne ist, was ohne Begriff als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird



Diese Erklärung des Schönen kann aus der vorigen eines Gegenstands des Wohlgefallens ohne Interesse gefolgert werden. Wessen sich jemand bewusst ist, dass dessen Wohlgefallen ohne Interesse ist, kann nicht anders beurteilt werden, als dass es einen Grund des Wohlgefallens für alle enthalten muss. Da das Wohlgefallen sich weder auf eine Neigung des Subjekts, noch auf ein überlegtes Interesse gründet, vielmehr der Urteilende sich in Anbetracht des Wohlgefallens am Gegenstand völlig frei fühlt, so kann dieser keine privaten Bedingungen als Gründe des Wohlgefallens finden, an die sich sein Subjekt allein hinge. Er muss sein Wohlgefallen daher in jenem Wohlgefallen begründet sehen, das er auch bei anderen voraussetzen kann. So wird er vom Schönen <B17/18> sprechen, als ob es eine Beschaffenheit des Gegenstands ist und das Urteil logisch ist, das heisst, als ob es durch Begriffe eine Erkenntnis des Objekts ausmacht. Das gälte, auch wenn das Urteil nur ästhetisch wäre und eine Beziehung der Vorstellung des Gegenstands auf das Subjekt enthielte. Ist es doch dem logischen Urteil ähnlich, sodass man seine Gültigkeit eben bei jedem voraussetzen kann!

Und dennoch kann diese Allgemeinheit nicht Begriffen entspringen. Bei Begriffen gibt es keinen Übergang zum Gefühl der Lust oder Unlust, ausgenommen bei rein praktischen Gesetzen. Sie führen aber Interesse mit sich, das an kein reines Geschmacksurteil gebunden ist. Daher muss ein Anspruch auf Gültigkeit an jedem Geschmacksurteil mit Bewußtsein einer Abgrenzung von allem Interesse hängen, ohne dass die Allgemeinheit auf Objekte gestellt wäre. Es muß mit diesem Anspruch einer auf subjektive Allgemeinheit verbunden sein.



§ 7. Vergleich des Schönen mit dem Angenehmen und Guten durch das genannte Merkmal



Beim Angenehmen begnügt sich jeder damit, dass das Urteil, das er auf sein Privatgefühl stellt und durch das er von einem Gegenstand sagt, dass er ihm gefällt, sich auf seine Person beschränkt. <B18/19> Daher ist er wohl zufrieden damit, dass, wenn er sagt 'der Kanariensekt ist angenehm' ihm ein anderer den Ausdruck verbessert und daran erinnert, er solle sagen 'er ist mir angenehm'. Das gilt nicht nur für den Geschmack der Zunge, des Gaumens und des Schlundes, sondern auch beim Angenehmen von Auge und Ohr. Dem einen ist die violette Farbe sanft und lieblich, einem anderen tot und erstorben. Einer liebt den Ton der Blasinstrumente, ein anderer den der Saiteninstrumente. Jemanden durch einen Streit über dessen Urteil zu gewinnen, als ob es unserem Urteil logisch entgegengesetzt wäre, wäre eine Torheit. Beim Angenehmen gilt daher der Grundsatz, dass jeder seinen eigenen Geschmack der Sinne hat.

Mit dem Schönen ist es anders bewandt. Gerade umgekehrt wäre es hier lächerlich, wenn jemand, der sich auf seinen Geschmack etwas einbildet, sich rechtfertigen wollte: 'Dieser Gegenstand, das zu beurteilende Gebäude, Kleid, Konzert, Gedicht ist für mich schön'. Denn er braucht es nicht schön zu nennen, wenn es nur ihm gefällt. Vieles mag für ihn an sich Reiz und Annehmlichkeit haben. Darum kümmert sich niemand. Wenn er aber etwas für schön ausgibt, so mutet er anderen genau dasselbe Wohlgefallen zu. Er urteilt nicht nur für sich, <B19/20> sondern für alle. Er spricht dann von der Schönheit, als wäre sie eine Eigenschaft der Dinge. Er sagt daher, die Sache ist schön, und rechnet mit der Einstimmung anderer in sein Urteil des Wohlgefallens. Er tut das nicht nur, weil er diese Einstimmung schon mehrere Male gefunden hat, sondern er fordert sie von ihnen geradezu. Er tadelt sie, wenn sie anders urteilen. Er spricht ihnen den Geschmack ab, von dem er doch verlangt, dass sie einen haben. Insofern kann man nicht sagen, ein jeder hat seinen besonderen Geschmack. Es würde so viel heißen, dass es gar keinen Geschmack gäbe. Es gäbe kein ästhetisches Urteil, das auf die Zustimmung eines jeden rechtmäßigen Anspruch erheben könnte.

Dennoch findet man beim Angenehmen, dass sich Einhelligkeit in dessen Beurteilung unter Menschen antreffen lässt. Um diese zu erreichen, spricht man einigen den Geschmack ab, anderen ihn zu und das nicht in der Bedeutung des Organsinns, sondern als Beurteilungsvermögen des Angenehmen überhaupt. So sagt man von jemandem, der seine Gäste mit Annehmlichkeiten des Genusses durch die Sinne zu unterhalten weiß, sodass es ihnen gefällt, 'er hat Geschmack'. Aber hier wird die Allgemeinheit nur komparativ genommen. Da gibt es wie insgesamt bei empirischen Regeln nur generale, nicht universale Regeln, welch letztere das Geschmacksurteil über das Schöne <B20/21> beanspruchen. Es ist ein Urteil in Bezug auf Geselligkeit, sofern diese auf empirischen Regeln beruht. In Anbetracht des Guten erheben zwar diese Urteile auch Anspruch auf Gültigkeit für jeden und das zurecht. Nur wird das Gute allein durch einen Begriff als Objekt allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt. Das ist weder beim Angenehmen noch Schönen der Fall.



§ 8. Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurteil nur als subjektiv vorgestellt



Diese besondere Bestimmung der Allgemeinheit eines ästhetischen Urteils ist nicht für den Logiker, sondern für den Transzendentalphilosophen eine Merkwürdigkeit. Ihren Ursprung zu entdecken, erfordert nicht geringe Bemühung. Dafür deckt sie auch eine Eigenschaft unseres Erkenntnisvermögens auf, die uns ohne seine Zergliederung unbekannt geblieben wäre.

Zuerst muss man sich davon überzeugen, dass durch das Geschmacksurteil über das Schöne das Wohlgefallen an einem Gegenstand einem jeden zugemutet wird, ohne dass es auf einem Begriff beruhte. In diesem Fall wäre es das Gute. Dieser Anspruch <B21/22> auf Allgemeingültigkeit gehört zum Urteil als eine Erklärung von etwas als einem Schönen so wesentlich, dass es ohne ihn niemandem einfallen würde, den Ausdruck Schönes zu gebrauchen. Es würde vielmehr alles, was ohne Begriff gefällt, zu jenem Angenehmen gezählt werden, das einem jeden seinen Kopf für sich haben lässt und niemandem die Einstimmung in sein Geschmacksurteil zumutet. Diese Einstimmung geschieht aber im Geschmacksurteil über Schönheit immer.

Ich kann den ersten Geschmack den Sinnengeschmack, den zweiten den Reflexionsgeschmack nennen. Der erstere fällt nur Privaturteile, der zweite vorgeblich gemeingültige oder publike Urteile. Beide aber fällen ästhetische und nicht praktische Urteile über einen Gegenstand und das nur in Anbetracht des Verhältnisses der Vorstellung zum Gefühl der Lust und Unlust. Vom Sinnengeschmack zeigt die Erfahrung, dass sein Urteil in Betreff der Lust oder Unlust an etwas nicht allgemein gilt. Jeder ist von allein so bescheiden, diese Übereinstimmung anderen nicht anzusinnen, obwohl sich eine Einhelligkeit auch in diesen Urteilen öfter ausbreitet.

Der Reflexionsgeschmack hingegen wird oft genug mit seinem Anspruch auf die allgemeine Gültigkeit seines Urteils über das Schöne abgewiesen. So ist am Reflexionsgeschmack befremdlich, dass er es für möglich <B22/23> hält, Urteile vorzustellen, die diese Einstimmung allgemein fordern und tatsächlich jedem zugemutet werden. Die Urteilenden sind wegen der Möglichkeit eines solchen Anspruchs nicht im Widerspruch, sondern einigen sich nur nicht in besonderen Fällen über die richtige Anwendung dieses Vermögens.

Hier ist vor allem zu beachten, dass die Allgemeinheit auf wenn auch nur empirischen Begriffen vom Objekt nicht logisch, sondern ästhetisch ist. Das heißt, sie enthält keine objektive, sondern nur eine subjektive Quantität des Urteils. Für sie verwende ich den Ausdruck Gemeingültigkeit. Er bezeichnet die Gültigkeit nicht der Beziehung einer Vorstellung zum Erkenntnisvermögen, sondern zum Gefühl der Lust und Unlust eines Subjekts. Man kann sich dieses Ausdrucks auch für die logische Quantität des Urteils bedienen, wenn man nur objektive Allgemeingültigkeit im Unterschied zur allein subjektiven dazusetzt, die immer ästhetisch ist.

Nun ist ein objektiv allgemeingültiges Urteil immer subjektiv. Das heißt, wenn das Urteil für alles gilt, was unter einem gegebenen Begriff enthalten ist, dann gilt es für jeden, der sich einen Gegenstand durch diesen Begriff vorstellt. Aber von einer subjektiven Allgemeingültigkeit – der ästhetischen – , die <B23/24> auf keinem Begriff beruht, lässt sich nicht auf eine logische Allgemeingültigkeit schließen, weil jene Art von Urteilen sich gar nicht auf das Objekt bezieht. Genau darum ist die ästhetische Allgemeinheit, die einem Urteil zugedacht wird, von besonderer Art. Das Prädikat der Schönheit verknüpft sich nicht mit dem Begriff des Objekts in seiner ganzen logischen Sphäre, und doch dehnt es eben diese Verknüpfung über die ganze Sphäre der Urteilenden aus.

Was die logische Quantität betrifft, so sind alle Geschmacksurteile einzelne Urteile. Indem ich den Gegenstand unmittelbar an mein Gefühl der Lust und Unlust halte und nicht an meine Begriffe, können diese Urteile nicht die Quantität objektiv gemeingültiger Urteile haben. Es kann daraus wohl ein logisch allgemeines Urteil entstehen, wenn die einzelne Vorstellung des Objekts des Geschmacksurteils unter den Bedingungen durch dieses Urteil mittels Vergleich in einen Begriff abgewandelt wird. Zum Beispiel erkläre ich die Rose, die ich anblicke, durch ein Geschmacksurteil für schön. Dagegen ist das Urteil, das durch Vergleich vieler einzelner Rosen entspringt – 'Rosen überhaupt sind schön' – , nicht mehr nur als ein ästhetisches Urteil ausgesagt, sondern als ein auf einem ästhetischen Urteil beruhendes logisches Urteil.

Nun ist das Urteil 'die Rose ist, im Geruch, angenehm' zwar auch ein ästhetisches und einzelnes Urteil. Aber es ist kein Geschmacksurteil, sondern ein Sinnesurteil. Es unterscheidet sich vom Geschmacksurteil <B24/25> dadurch, dass dieses eine ästhetische Quantität der Allgemeinheit, heißt: der Gültigkeit für alle mit sich führt. Sie kann im Urteil über das Angenehme nicht angetroffen werden. Nur die Urteile über das Gute haben logische, nicht nur ästhetische Allgemeinheit, obwohl auch sie das Wohlgefallen an einem Gegenstand bestimmen. Sie gelten vom Objekt als eine Erkenntnis des Objekts und darum für alle.

Wenn man Objekte nur nach Begriffen beurteilt, geht die Vorstellung der Schönheit verloren. So kann es auch keine Regel geben, nach der jemand genötigt werden soll, etwas als schön anzuerkennen. Ob ein Kleid, ein Haus, eine Blume schön ist, dazu läßt man sich sein Urteil durch keine Gründe oder Grundsätze aufschwatzen. Man will das Objekt seinen eigenen Augen unterwerfen, egal ob das Wohlgefallen von der Empfindung abhängt oder nicht. Und auch wenn man den Gegenstand dann schön nennt, glaubt man eine allgemeine Stimme für sich zu haben und erhebt den Anspruch auf jedermanns Zustimmung. Dagegen würde jede Privatempfindung nur für den Betrachtenden allein und dessen Wohlgefallen entscheiden.

Hier ist zu sehen, dass im Urteil des Geschmacks in Anbetracht eines Wohlgefallens ohne begriffliche Vermittlung nichts als eine solche allgemeine Stimme postuliert wird. So kann auch die Möglichkeit <B25/26> eines ästhetischen Urteils als für alle gültig betrachtet werden. Das Geschmacksurteil selber postuliert nicht eines jeden Einstimmung. Das kann nur ein logisch allgemeines Urteil tun, indem es Gründe anführt. Es sinnt nur jedermann diese Einstimmung in einen Fall der Regel an. In Anbetracht dessen erwartet es Bestätigung nicht von Begriffen, sondern von der Zustimmung anderer. Die allgemeine Stimme ist also nur eine Idee, deren Grundlage hier noch nicht einmal untersucht wird. Dieser Idee gemäß zu urteilen, kann für denjenigen ungewiss sein, der ein Geschmacksurteil zu fällen glaubt. Aber dass er es auf sie bezieht und dass es ein Geschmacksurteil sein soll, kündigt er schon durch den Ausdruck der Schönheit an. Für sich aber kann er Gewißheit durch bloßes Bewußtsein der Ablösung alles Angenehmen und Guten vom übrig bleibenden Wohlgefallen erreichen. Das ist alles, wozu er sich Beistimmung von allen verspricht – ein Anspruch, zu dem er unter diesen Bedingungen berechtigt wäre, wenn er nur nicht gegen diese Idee öfter fehlte und darum ein irriges Geschmacksurteil fällte.



<B26/27> § 9. Untersuchung der Frage, ob im Geschmacksurteil das Gefühl der Lust vor oder nach der Beurteilung des Gegenstands auftritt



Die Auflösung dieser Aufgabe ist der Schlüssel zur Kritik des Geschmacks und daher aller Aufmerksamkeit würdig.

Ginge die Lust dem gegebenen Gegenstand voraus und sollte der Vorstellung des Gegenstands im Geschmacksurteil nur die allgemeine Mitteilbarkeit dieser Lust zuerkannt werden, dann würde ein solches Verfahren mit sich selbst im Widerspruch stehen. Die Lust wäre eine bloße Annehmlichkeit in der Sinnesempfindung, daher nur privatgültig und hinge unmittelbar von der Vorstellung ab, durch die der Gegenstand gegeben wird.

Somit liegt die allgemeine Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustands in der gegebenen Vorstellung als dem Geschmacksurteil eine subjektive Bedingung zugrunde und muss Lust am Gegenstand zur Folge haben. Es kann Erkenntnis nur allgemein mitgeteilt werden und die Vorstellung, sofern sie zur Erkenntnis gehört. Insofern ist die Vorstellung allein objektiv und mit <B27/28> einem allgemeinen Bezugspunkt versehen. Derart wird die Vorstellungskraft aller genötigt zusammenzustimmen. Soll nun der Bestimmungsgrund des Urteils über diese allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellung nur subjektiv und ohne Begriff des Gegenstands gedacht werden, so geht es allein um den Gemütszustand. Er wird dann im Verhältnis der Vorstellungskräfte angetroffen, aber nur sofern eine gegebene Vorstellung auf Erkenntnis überhaupt bezogen wird.

Die Erkenntniskräfte, die durch diese Vorstellung ins Spiel gebracht werden, befinden sich in einem freien Spiel. Kein bestimmter Begriff beschränkt sie auf eine besondere Regel der Erkenntnis. So muss jener Gemütszustand das Gefühl des freien Spiels der Vorstellungskräfte bei einer gegebener Vorstellung zur Erkenntnis überhaupt sein. Nun gehören zur Vorstellung, die einen Gegenstand für die Erkenntnis abgibt, die Einbildungskraft in Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauung und der Verstand in Vereinigung der Vorstellungen in der Einheit des Begriffs. Es ist dieser Zustand eines freien Spiels der Erkenntnisvermögen bei der Vorstellung, der sich allgemein mitteilen lassen muss. Denn die Erkenntnis als Bestimmung des Objekts, durch die die gegebenen Vorstellungen für welches Subjekt <B28/29> auch immer zusammenstimmen sollen, ist die einzige für alle gültige Vorstellungsart.

Da die subjektive, allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellungsart in einem Geschmacksurteil ohne Voraussetzung eines bestimmten Begriffs stattfinden soll, kann sie eben nur der Gemütszustand im freien Spiel der Einbildungskraft und des Verstands sein. Wir sind uns nämlich bewußt, dass dieses für die Erkenntnis geeignete subjektive Verhältnis für alle gelten muss. Es muss daher allgemein mitteilbar sein wie jede bestimmte Erkenntnis, die auf jenem subjektiv bedingten Verhältnis beruht. Diese nur subjektive, ästhetische Beurteilung des Gegenstands oder seiner Vorstellung geht der Lust an ihm voraus. Sie ist ihr Grund. Sie ist an der Harmonie der Erkenntnisvermögen ausgerichtet. Auf jener Allgemeinheit der subjektiven Bedingungen der Beurteilung der Gegenstände beruht also allein die allgemeine subjektive Gültigkeit des Wohlgefallens. Sie ist es, die wir mit der Vorstellung des Gegenstands verbinden, den wir schön nennen.

Dass es Lust bringt, einen Gemütszustand im Blick auf Erkenntnisvermögen mitzuteilen, könnte man unschwer empirisch und psychologisch am natürlichen <B29/30> Hang des Menschen zur Geselligkeit darlegen. Das ist aber für unsere Absicht nicht genug. Die Lust, die wir fühlen, muten wir mit dem Geschmacksurteil allen als notwendig zu, egal ob die Beschaffenheit eines Gegenstands, den wir schön nennen, diesem begrifflich anzusehen wäre oder nicht. Schönheit ist doch für sich ohne Beziehung auf das Gefühl des Subjekts nichts! Die Erörterung dieser Frage müssen wir uns aber bis zur Antwort darauf aufbehalten, ob und wie ästhetische Urteile a priori möglich sind.

Jetzt besänftigen wir uns mit der folgenden kleineren Frage. Sie betrifft die wechselseitige subjektive Übereinstimmung der Erkenntniskräfte im Geschmacksurteil. Werden wir uns dieser Übereinstimmung ästhetisch durch den bloß inneren Sinn und seine Empfindung oder intellektuell durch das Bewußtsein unserer absichtlichen Tätigkeit bewußt, mit der wir jene Erkenntniskräfte ins Spiel setzen?

Wenn die gegebene Vorstellung aus Anlass des Geschmacksurteils ein Begriff ist, der in der Beurteilung eines Gegenstands Verstand und Einbildungskraft zur Erkenntnis des Objekts vereinigt, so ist das Bewußtsein dieses Verhältnisses intellektuell. Davon handelt die Kritik der reinen Vernunft beim objektiven Schematismus der Urteilskraft. Das Urteil wäre dann nicht in Bezug auf Lust und Unlust gefällt, <B30/31> mithin kein Geschmacksurteil. Nun bestimmt aber das Geschmacksurteil das Objekt in Anbetracht des Wohlgefallens und des Prädikats der Schönheit unabhängig von Begriffen. Daher lässt sich jene subjektive Einheit des Verhältnisses nur durch Empfindung erkennen. Die Vermögen Einbildungskraft und Verstand können in einer unbestimmten Tätigkeit belebt werden, die aufgrund einer erkenntniszugehörigen Vorstellung dennoch einhellig ist. Diese Belebung ist die Empfindung, deren allgemeine Mitteilbarkeit vom Geschmacksurteil postuliert wird. Ein objektives Verhältnis kann gedacht werden, aber auch in der Wirkung auf das Gemüt subjektiv bedingt empfunden werden. Beim Verhältnis der Vorstellungskräfte zu einem Erkenntnisvermögen, das ohne Begriff auskommt, ist nur ein Bewußtsein möglich, das in der Empfindung der Wirkung durch das erleichterte Spiel beider belebten Gemütskräfte in wechselseitiger Zusammenstimmung besteht. Eine Vorstellung als einzelne stimmt ohne Vergleich mit anderen in den Bedingungen der Allgemeinheit überein, die das Geschäft des Verstands überhaupt ausmacht. Sie bringt die Erkenntnisvermögen in die proportionierte Stimmung, die wir bei allen Erkenntnissen fordern und daher auch <B31/32> für jeden als gültig annehmen, der in einer Verbindung von Verstand und Sinne urteilen soll.

Aus dem zweiten Moment gefolgerte Erklärung des Schönen

Schön ist, was ohne Begriff allgemein gefällt.



Drittes Moment des Geschmacksurteils nach der Relation der Zwecke, die in ihnen in Betracht gezogen wird



§ 10. Von der Zweckmäßigkeit überhaupt



Erklärt man Zweck nach transzendentalen Bestimmungen – also ohne etwas Empirisches wie Gefühl der Lust vorauszusetzen – , dann ist Zweck der Gegenstand eines Begriffs, sofern dieser Gegenstand als Ursache jenes Begriffs als realer Grund seiner Möglichkeit angesehen wird. Die Kausalität eines Begriffs in Betreff seines Objekts ist Zweckmäßigkeit, forma finalis. Wo also nicht nur die Erkenntnis von einem Gegenstand, sondern der Gegenstand selbst in seiner Form oder Existenz als Wirkung gedacht und zwar als nur durch einen Begriff von dieser Wirkung ermöglicht wird, da denkt man sich einen Zweck. <B32/33> Die Vorstellung der Wirkung ist hier der Bestimmungsgrund ihrer Ursache. Sie geht der Ursache voran. Das Bewußtsein der Kausalität einer Vorstellung im Blick auf die Erhaltung des Zustands des Subjekts bezeichnet allgemein, was man Lust nennt. Dagegen enthält die Unlust den Grund, den Zustand der Vorstellungen zu ihrem eigenen Gegenteil zu bestimmen, also Unlust abzuhalten oder wegzuschaffen.

Das Begehrungsvermögen würde Wille sein, wenn es nur durch Begriffe bestimmt wäre und wenn mit Vorstellung zweckgemäß gehandelt werden könnte. Zweckmäßig heißt aber ein Objekt, Gemütszustand oder eine Handlung auch dann, wenn deren Möglichkeit die Vorstellung eines Zwecks nicht notwendigerweise voraussetzt. Diese Möglichkeit kann von uns nur erklärt und begriffen werden, wenn wir eine Kausalität nach Zwecken, also einen solchen Willen als Grund annehmen, der diese Kausalität nach der Vorstellung einer gewissen Regel anordnet. Die Zweckmäßigkeit kann also ohne Zweck sein, wenn wir die Ursachen dieser Form nicht in einen Willen setzen, aber doch die Erklärung ihrer Möglichkeit durch Ableitung von einem Willen begreiflich machen. Wir brauchen nun das, was wir beobachten, in seiner Möglichkeit nicht immer durch Vernunft einzusehen. So können wir wenigstens eine Zweckmäßigkeit in der Form auch ohne Unterstellung eines Zwecks als eine Materie des <B33/34> nexus finalis beobachten, wenn auch nicht anders als durch Reflexion.


§ 11. Das Geschmacksurteil hat nur die Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstands oder dessen Vorstellungsart zur Grundlage



Jeder Zweck, der als der Grund des Wohlgefallens angesehen wird, hat ein Interesse zum Bestimmungsgrund des Urteils über den Gegenstand der Lust. Daher kann kein subjektiver Zweck dem Geschmacksurteil zugrunde liegen. Es kann aber auch keine Vorstellung eines objektiven Zwecks das Geschmacksurteil bestimmen und damit kein Begriff des Guten – der objektive Zweck wäre die Möglichkeit des Gegenstands nach Prinzipien der Zweckverbindung. Denn es handelt sich um ein ästhetisches Urteil und nicht um ein Erkenntnisurteil. Es betrifft also nicht den Begriff der Beschaffenheit und der inneren oder äußeren Möglichkeit des Gegenstands durch diese oder jene Ursache. Sondern es betrifft nur das Verhältnis der Vorstellungskräfte zueinander, sofern sie durch eine Vorstellung bestimmt werden.

<B34/35> Nun ist dieses Verhältnis in der Bestimmung eines Gegenstands als ein schöner mit dem Gefühl einer Lust verbunden. Diese Lust wird gleichzeitig durch das Geschmacksurteil als für jeden gültig erklärt. Daher kann weder eine vorstellungsbegleitende Annehmlichkeit, noch die Vorstellung der Vollkommenheit des Gegenstands und der Begriff des Guten den Bestimmungsgrund enthalten. So kann nur die subjektive Zweckmäßigkeit in der Vorstellung eines Gegenstands das Wohlgefallen zum Bestimmungsgrund des Geschmacksurteils machen. Dieses Wohlgefallen beurteilen wir ohne Begriff als allgemein mitteilbar. Die Vorstellung eines Gegenstands hat dabei weder einen objektiven, noch einen subjektiven Zweck. Sie hat somit die bloße Form der Zweckmäßigkeit, durch die uns ein Gegenstand gegeben wird, sofern wir uns ihrer bewußt sind.



§ 12. Das Geschmacksurteil beruht auf Gründen a priori



Es ist grundsätzlich unmöglich, die Verknüpfung des Gefühls von Lust oder Unlust als Wirkung mit irgendeiner Vorstellung, Empfindung oder irgendeinem Begriff als ihrer Ursache a priori herauszufinden. Diese Verknüpfung wäre ein Kausalverhältnis, das unter Gegenständen der Erfahrung immer nur a posteriori <B35/36> durch Erfahrung erkannt werden kann. Zwar haben wir in der Kritik der praktischen Vernunft das Gefühl der eigentümlich modifizierten Achtung, das weder mit Lust noch Unlust von empirischen Gegenständen her übereinstimmen will, von allgemeinen sittlichen Begriffen a priori abgeleitet. Wir konnten dort auch die Grenzen der Erfahrung überschreiten und eine Kausalität anrufen, die auf einer übersinnlichen Beschaffenheit des Subjekts beruht, nämlich der Kausalität der Freiheit. Aber selbst dort leiteten wir eigentlich nicht dieses Gefühl, sondern nur die Willensbestimmung von der Idee des Sittlichen als Ursache ab. Der Gemütszustand eines durch irgend etwas bestimmten Willens ist an sich schon Gefühl der Lust, folgt also nicht als Wirkung aus diesem Gefühl. Dies müsste nur angenommen werden, wenn durch das Gesetz der Begriff des Sittlichen als eines Guts der Willensbestimmung voranginge. Dann würde man nämlich vergeblich die Lust, die mit dem Begriff verbunden wäre, aus diesem als eine bloße Erkenntnis ableiten.

Mit der Lust im ästhetischen Urteil ist es ähnlich bewandt. Nur ist sie ohne Bewirkung eines Interesses am Objekt rein kontemplativ, wogegen sie im moralischen Urteil praktisch ist. Das Bewußtsein in der Vorstellung einer rein formalen Zweckmäßigkeit im Spiel der Erkenntniskräfte des Subjekts <B36/37>, durch die ein Gegenstand gegeben wird, ist selbst Lust. Dieses Bewußtsein enthält einen Bestimmungsgrund der Tätigkeit des Subjekts in Bezug auf dessen Belebung der Erkenntniskräfte. Es enthält also eine innere, zweckmäßige Kausalität in Anbetracht von Erkenntnis überhaupt. Es ist aber nicht auf eine bestimmte Erkenntnis eingeschränkt und somit bloße Form der subjektiven Zweckmäßigkeit einer Vorstellung in einem ästhetischen Urteil.

Diese Lust ist in keiner Weise praktisch, weder wie die Lust des pathologischen Grunds von Annehmlichkeit, noch wie die des intellektuellen Grunds des vorgestellten Guten. Sie hat aber eine Kausalität in sich, nämlich die Kausalität, ohne weitere Absicht den Zustand der Vorstellung und die Beschäftigung der Erkenntniskräfte zu erhalten. Wir verweilen bei der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung sich selbst stärkt und reproduziert. Wenn es auch nicht dasselbe ist, so ist es doch demjenigen Verweilen analog, in dem ein Reiz bei einem passiven Gemüt wiederholt Aufmerksamkeit in der Vorstellung des Gegenstands weckt.



§ 13. Das reine Geschmacksurteil ist von Reiz und Rührung unabhängig

Jedes Interesse verdirbt das Geschmacksurteil und nimmt ihm seine Unparteilichkeit, wenn <B37/38> es nicht wie beim Interesse der Vernunft die Zweckmäßigkeit dem Gefühl der Lust vorausschickt, sondern die Unparteilichkeit auf dieses Gefühl gründet. Dies geschieht im ästhetischen Urteil über etwas immer dann, wenn es vergnügt oder schmerzt. Deswegen können derart affizierte Urteile entweder keinen oder umso weniger Anspruch auf ein allgemeingültiges Wohlgefallen machen, als sich Empfindungen der gedachten Art unter den Bestimmungsgründen des Geschmacks befinden. Der Geschmack ist immer dort noch barbarisch, wo er der Beimischung der Reize und Rührungen zum Wohlgefallen bedarf, ja diese Beimischung zum Maßstab seines Beifalls macht.

Indessen werden jedoch öfters Reize nicht nur als Beitrag allgemeinen ästhetischen Wohlgefallens zur Schönheit gezählt, die doch eigentlich nur die Form betreffen sollte. Sie werden sogar an sich selbst für Schönheit ausgegeben und die Materie des Wohlgefallens damit für Form. Das ist ein Mißverständnis, das sich wie so manches andere, dem Wahres zugrunde liegt, durch sorgfältige Bestimmung der Begriffe ausräumen lässt.

Ein Geschmacksurteil, auf das Reiz und Rührung gerade trotz ihrer Bindbarkeit an das Wohlgefallen am Schönen keinen Einfluss haben, das also nur Zweckmäßigkeit der Form zum Bestimmungsgrund hat, ist ein reines Geschmacksurteil.



<B38/39> § 14. Erläuterung durch Beispiele



Ästhetische Urteile können wie theoretische oder logische in empirische und reine Urteile eingeteilt werden. Hier sind die empirischen Urteile diejenigen, die Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit aussagen, und die reinen Urteile diejenigen, die die Schönheit von einem Gegenstand oder seiner Vorstellungsart aussagen. Jene sind Sinnesurteile, materiale ästhetische Urteile. Diese sind als formale allein die eigentlichen Geschmacksurteile.

Ein Geschmacksurteil ist nur insofern rein, als kein empirisches Wohlgefallen seinem Bestimmungsgrund beigemischt wird. Das aber geschieht immer dann, wenn Reiz oder Rührung einen Anteil am Urteil haben, durch welches etwas als schön erklärt werden soll.

Nun tun sich wieder so manche Einwürfe hervor. Sie spiegeln den Reiz am Ende nicht nur als notwendige Zugabe der Schönheit, sondern sogar als für sich hinreichend vor. Eine Farbe allein wie zum Beispiel das Grün eines Rasenplatzes oder ein bloßer Ton von einer Violine im Unterschied zu Schall und Geräusch werden von den meisten an sich für schön erklärt. Und doch scheinen beide nur auf der Materie der Vorstellungen, nämlich der Empfindung zu beruhen und verdienen daher nur angenehm <B39/40> genannt zu werden. Man wird zugleich bemerken, dass die Empfindungen der Farbe wie des Tons nur insofern als schön gelten dürfen, als beide rein sind. Das ist eine Bestimmung, die bereits die Form betrifft. Sie ist das Einzige, das sich von diesen Vorstellungen mit Gewißheit allgemein mitteilen läßt. Die Qualität der Empfindungen selbst läßt sich nämlich nicht in allen Subjekten als einstimmig beurteilt annehmen. Das geschieht auch bei kaum jemandem auf die gleiche Art, etwa bei der Annehmlichkeit einer Farbe im Vorzug vor einer anderen oder des Tons eines Musikinstruments im Vorzug vor einem anderen.

Man nehme mit Euler an, dass Farben gleichzeitig aufeinander folgende Schläge (pulsus) des Äthers sowie Töne Schläge der im Schall erschütterten Luft sind. Man nehme weiter das Vornehmste an, dass das Gemüt nicht nur durch den Sinn und seine Wirkung auf die Belebung des Organs wahrnimmt, sondern auch durch die Reflexion oder das regelmäßige Spiel der Eindrücke und somit durch die Form in Verbindung verschiedener Vorstellungen. Dann wären Farbe und Ton nicht bloße Empfindungen, sondern schon ihre formale Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen. Sie könnten dann für sich zu den Schönheiten gezählt werden.

Das Reine einer einfachen Empfindungsart bedeutet, dass deren Gleichförmigkeit durch keine <B40/41> fremdartige Empfindung gestört und unterbrochen wird. Das Reine gehört zur Form, weil man dabei von der Qualität jener Empfindungsart abstrahieren kann, ob und welche Farben oder Töne sie vorstellt. Daher werden alle einfachen Farben, sofern sie rein sind, für schön gehalten. Die gemischten haben diesen Vorzug nicht, weil es für sie keinen Maßstab der Beurteilung gibt, egal ob man sie nun rein oder unrein nennt.

Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Schönheit, die dem Gegenstand seiner Form wegen zugesprochen wird, durch Reiz erhöht werden kann. Dieser Irrtum ist dem echten, unbestochenen, gründlichen Geschmack sehr nachteilig. Neben der Schönheit lassen sich allerdings auch noch Reize hinzufügen, um zusätzlich zum trockenen Wohlgefallen das Gemüt noch durch die Vorstellung des Gegenstands zu interessieren. Das dient dem Geschmack und dessen Kultur zur Anpreisung, besonders wenn er noch roh und ungeübt ist. Aber Reize tun dem Geschmacksurteil Abbruch, wenn sie als Beurteilungsgründe der Schönheit Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie können höchstens mit Nachsicht als Fremdlinge aufgenommen werden, wenn sie nur bei noch schwachem und ungeübtem Geschmack jene schöne Form nicht stören.

<B41/42> In der Malerei, Bildhauerei, ja in allen bildenden Künsten, also auch in der Baukunst, Gartenkunst, sofern sie schöne Künste sind, ist Zeichnung das Wesentliche. Den Grund aller Anlage für den Geschmack macht in ihr nicht aus, was in der Empfindung vergnügt, sondern nur, was durch seine Form gefällt. Die Farben, die den Abriss illuminieren, gehören zum Reiz. Den Gegenstand an sich können sie zwar für die Empfindung beleben, nicht aber schön und anschauungswürdig machen. Vielmehr werden sie eher noch durch das eingeschränkt, was die schöne Form fordert. Sie werden durch diese Form allein veredelt, selbst da, wo Reiz zugelassen wird.

Jede Form der Gegenstände äußerer wie mittelbar auch innerer Sinne ist Gestalt oder Spiel. In letzterem Fall ist es entweder ein Spiel der Gestalten im Raum wie Mimik und Tanz oder ein bloßes Spiel der Empfindungen in der Zeit. Der Reiz der Farben oder angenehmen Töne des Instruments kann dazukommen. Aber die Zeichnung in der Gestalt und die Komposition im Spiel machen den eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmacksurteils aus. Dass die Reinheit der Farben wie der Töne oder auch deren Mannigfaltigkeit und Kontrast zur Schönheit beizutragen scheinen, besagt nicht mehr, als dass sie als für sich angenehm dem Wohlgefallen einen gleichartigen Zusatz <B42/43> zur Form geben. Sie machen diese Form nur genauer, bestimmter und vollständiger anschaulich. Und sie beleben zudem durch ihren Reiz die Vorstellung, indem sie die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst wecken und erhalten.

Selbst was man Zierat (Parerga) nennt, vergrößert nicht das Wohlgefallen des Geschmacks innerhalb der ganzen Vorstellung des Gegenstands als Bestandteil, sondern nur äußerlich als Zutat. Das tut es aber nur durch seine Form wie etwa Einfassungen der Gemälde, Gewänder an Statuen oder Säulengänge um Prachtgebäude herum. Besteht aber der Zierat nicht in der schönen Form, dann ist er wie etwa der goldene Rahmen nur angebracht, um das Gemälde dem Beifall durch seinen Reiz zu empfehlen. Dann heißt er Schmuck und tut der echten Schönheit Abbruch.

Rührung ist eine Empfindung, bei der die Annehmlichkeit nur durch eine augenblickliche Hemmung und eine darauf folgende um so stärkere Ergießung der Lebenskraft bewirkt wird. Sie gehört überhaupt nicht zur Schönheit. Erhabenheit aber, mit der das Gefühl der Rührung verbunden ist, erfordert einen anderen Maßstab der Beurteilung, als ihn der Geschmack sich zugrunde legt. So hat ein reines Geschmacksurteil weder Reiz, noch Rührung oder kurz gesagt keine Empfindung als Materie des ästhetischen Urteils zum Bestimmungsgrund.



<B43/44> § 15. Das Geschmacksurteil ist vom Begriff der Vollkommenheit gänzlich unabhängig



Die objektive Zweckmäßigkeit kann nur durch die Beziehung des Mannigfaltigen zu einem bestimmten Zweck, also zu einem Begriff erkannt werden. Schon deswegen wird klar, dass das Schöne, dessen Beurteilung eine rein formale Zweckmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit ohne Zweck zugrunde liegt, von der Vorstellung des Guten zur Gänze unabhängig ist. Das Gute setzt eine objektive Zweckmäßigkeit voraus, das heißt eben die Beziehung des Gegenstands zu einem bestimmten Zweck.

Objektive Zweckmäßigkeit ist entweder äußere Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit, oder innere Zweckmäßigkeit, Vollkommenheit des Gegenstands. Dass das Wohlgefallen an einem Gegenstand, weswegen wir ihn schön nennen, nicht auf der Vorstellung seiner Nützlichkeit beruhen kann, ist aus den beiden vorigen Hauptstücken hinreichend zu erkennen. Es wäre nämlich nicht unmittelbares Wohlgefallen am Gegenstand als wesentliche Bedingung des Urteils über Schönheit. Eine objektive innere Zweckmäßigkeit, das heißt Vollkommenheit, kommt dagegen dem Prädikat der Schönheit schon näher und wurde von namhaften Philosophen durch den Zusatz 'wenn sie verwor<B44/45>ren gedacht wird' mit Schönheit für identisch gehalten. Es ist nun in einer Kritik des Geschmacks von größter Wichtigkeit zu entscheiden, ob sich die Schönheit wirklich in den Begriff der Vollkommenheit auflösen lässt.

Zur Beurteilung der objektiven Zweckmäßigkeit brauchen wir immer den Begriff eines Zwecks. Wir brauchen, da jene Zweckmäßigkeit nicht eine äußere, sondern eine innere sein soll, den Begriff eines inneren Zwecks, der einen Grund für die innere Möglichkeit des Gegenstands enthält. So wie nun Zweck überhaupt das ist, dessen Begriff als Grund der Möglichkeit des Gegenstands angesehen werden kann, so wird für die Vorstellung einer objektiven Zweckmäßigkeit an einem Ding der Begriff davon vorauszusetzen sein, was es für ein Ding sein soll. In diesem Ding ist die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu jenem Begriff, der die Regel der Verbindung des Mannigfaltigen an ihm gibt, die qualitative Vollkommenheit eines Dings. Davon ist die quantitative Vollkommenheit als Vollständigkeit eines Dings verschieden und nur ein Größenbegriff der Allheit. Hier ist, was das Ding sein soll, schon im voraus als bestimmt gedacht. Und es wird nur gefragt, ob alles dazu Erforderliche an ihm vorhanden ist. Das Formale in der Vorstellung eines Dings – also die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu einer Einheit ohne Bestimmung dessen, was <B45/46> es sein soll – lässt für sich keine objektive Zweckmäßigkeit erkennen. Es bleibt, da von diesem Einen als Zweck abstrahiert wird, nichts als eine subjektive Zweckmäßigkeit der Vorstellungen im Gemüt des Anschauenden übrig. Diese Zweckmäßigkeit ist wohl eine gewisse Zweckmäßigkeit des Vorstellungszustands im Subjekt. Sie gibt die Behaglichkeit des Subjekts als eine vorgegebene Form in der Auffassung der Einbildungskraft an, wenn auch keine Vollkommenheit irgend eines Objekts, die durch einen Begriff eines Zwecks gedacht wäre. Es ist so, als ob ich im Wald auf einen Rasenplatz stieße, um den Bäume im Kreis stehen, und ich mir dabei keinen Zweck vorstellte – etwa dass er zum ländlichen Tanz dienen soll – , sodass nicht der mindeste Begriff von Vollkommenheit durch Form allein gegeben wäre. Eine formale objektive Zweckmäßigkeit ohne Zweck ist ein wahrer Widerspruch, also die bloße Form einer Vollkommenheit ohne alle Materie und Begriff sich vorzustellen, mit denen sie zusammengestimmt würde, wenn auch nur als Idee einer Gesetzmäßigkeit.

Nun ist das Geschmacksurteil aber ein ästhetisches Urteil, das auf subjektiven Gründen beruht. Dessen Bestimmungsgrund kann kein Begriff, also auch nicht der eines bestimmten Zwecks sein. So wird durch die Schönheit als formale, subjektive Zweckmäßigkeit nicht eine vorgeblich formale Vollkommenheit <B46/47> des Gegenstands, wohl aber eine objektive Zweckmäßigkeit gedacht. Der Unterschied zwischen den Begriffen des Schönen und Guten ist nichtig. Sie sind als ein verworrener und deutlicher Begriff der Vollkommenheit nur der logischen Form nach, nicht aber dem Inhalt und Ursprung nach verschieden. Sonst gäbe es zwischen ihnen keinen spezifischen Unterschied. Ein Geschmacksurteil wäre sowohl ein Erkenntnisurteil als auch ein Urteil, wodurch etwas für gut erklärt wird. Es wäre so, als ob bei der Aussage des Unrechts von Betrug der einfache Mann sein Urteil auf verworrene, der Philosoph das seine auf deutliche, jeder aber es im Grund auf dieselben Vernunftprinzipien stellte. Ich habe aber schon angeführt, dass ein ästhetisches Urteil einzigartig ist. Dieses Urteil gibt jedenfalls vom Objekt keine Erkenntnis, auch keine verworrene. Erkenntnis geschieht nur durch logisches Urteil. Jenes Urteil aber bezieht die Vorstellung, durch die ein Objekt gegeben wird, nur auf das Subjekt. Es bietet keine Beschaffenheit des Gegenstands, sondern nur die zweckmäßige Form in Bestimmung der Vorstellungskräfte, die sich mit jenem Urteil beschäftigen. Dieses Urteil heißt auch darum ästhetisch, weil sein Bestimmungsgrund kein Begriff, sondern das Gefühl des inneren Sinns jener Einhelligkeit im Spiel der Gemütskräfte ist, sofern sie empfunden wird. <B47/48> Wollte man dagegen verworrene Begriffe und das objektive Urteil, das sich auf sie stützt, ästhetisch nennen, so hätte man einen Verstand, der sinnlich urteilt, und einen Sinn, der seine Objekte durch Begriffe vorstellt. Beides widerspricht sich. Das Vermögen der Begriffe ist der Verstand, mögen sie verworren oder deutlich sein. Und wenn auch zum Geschmacksurteil als einem ästhetischen Urteil wie zu allen Urteilen Verstand gehört, so gehört der Verstand zum Geschmacksurteil doch nicht als Vermögen der Erkenntnis eines Gegenstands, sondern als Vermögen der Bestimmung des Urteils und seiner Vorstellung ohne Begriff. Diese Vorstellung befindet sich im Verhältnis zum Subjekt und zu dessen innerem Gefühl, sofern dieses Urteil nach einer allgemeinen Regel möglich ist.



§ 16. Das Geschmacksurteil, durch das ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs für schön erklärt wird, ist nicht rein



Es gibt zweierlei Arten von Schönheit, freie Schönheit (pulchritudo vaga) oder bloß anhängende Schönheit (pulchritudo adhaerens). Erstere setzt keinen Begriff dessen voraus, was der Gegenstand sein soll. Letztere setzt einen solchen und die Vollkommenheit des Gegenstands nach diesem Begriff voraus. Die Arten der ersteren heißen Schönheiten dieses <B48/49> oder jenes Dings und bestehen für sich. Letztere Schönheit wird einem Begriff als anhängend (bedingte Schönheit) oder Objekten beigelegt, die unter dem Begriff eines besonderen Zwecks stehen.

Blumen sind freie Naturschönheiten. Was für ein Ding eine Blume ist, weiß außer dem Botaniker sonst kaum jemand. Und selbst er, der an ihm das Befruchtungsorgan einer Pflanze erkennt, nimmt auf diesen Naturzweck keine Rücksicht, wenn er mit Geschmack über es urteilt. Diesem Urteil wird also keine Vollkommenheit irgend welcher Art und keine innere Zweckmäßigkeit zugrundegelegt, auf die sich die Zusammensetzung des Mannigfaltigen bezöge. Vögel wie Papagei, Kolibri, Paradiesvogel und eine Vielzahl von Schalentiere des Meeres sind Schönheiten für sich. Diese Schönheiten kommen keinem Gegenstand zu, der nach Begriffen hinsichtlich seines Zwecks bestimmt ist. Sie gefallen frei und für sich. So bedeuten Zeichnungen à la grecque, Papiertapeten oder das Laubwerk auf Einfassungen für sich nichts. Sie stellen nichts und kein Objekt unter einem bestimmten Begriff vor. Sie sind freie Schönheiten. Man kann auch, was man in der Musik Phantasien ohne Thema nennt, ja, man kann die ganze Musik ohne Text zu dieser Art zählen.

Der bloßen Form nach ist das Geschmacksurteil in der Beurteilung einer freien Schönheit rein. Es setzt keinen Begriff eines Zwecks voraus, dem das Mannigfaltige eines gegebenen Objekts zu dessen Vorstellung dienen soll. <B49/50> Denn dadurch würde die Freiheit der Einbildungskraft, die in Beobachtung der Gestalt gleichsam spielt, nur eingeschränkt werden.

Allein, die Schönheit eines Menschen, speziell die eines Manns, Weibs oder Kinds, die Schönheit eines Pferds, eines Gebäudes wie einer Kirche, eines Palasts, Arsenals oder Gartenhauses setzt einen Begriff von einem Zweck voraus, der bestimmt, was das Ding ist, und damit einen Begriff seiner Vollkommenheit.

Diese Schönheit ist also bloß adhärierende Schönheit. So wie die Verbindung des Angenehmen der Empfindung mit der Schönheit, die eigentlich nur die Form betrifft, die Reinheit des Geschmacksurteils verhindert, so tut die Verbindung des Guten – das Mannigfaltige tut dem Ding selbst zweckgemäß ist – mit Schönheit der Reinheit dieses Geschmacksurteils Abbruch.

Man könnte an einem Gebäude vieles anbringen, was unmittelbar in der Anschauung gefiele, wenn es nur nicht eine Kirche wäre. Man könnte eine Gestalt mit allerlei Schnörkeln sowie leichten und doch regelmäßigen Zügen verschönern, wie es die Neuseeländer bei ihrem Tätowieren tun, wenn es nur nicht ein Mensch wäre. Und dieser Mensch könnte viel feinere Züge und einen gefälligeren, sanfteren Umriß in der Gesichtsbildung haben, wenn er nur nicht einen Mann, sogar einen kriegerischen vorstellte.

<B50/51> Nun ist das Wohlgefallen am Mannigfaltigen eines Dings mit Bezug auf den ermöglichenden inneren Zweck ein Wohlgefallen, das durch einen Begriff begründet ist. Das Wohlgefallen an der Schönheit setzt aber keinen Begriff voraus. Es ist mit der Vorstellung unmittelbar verbunden, durch die der Gegenstand gegeben und nicht gedacht wird. Wenn nun das Geschmacksurteil hinsichtlich des Wohlgefallens an der Schönheit vom Zweck im Wohlgefallen am Mannigfaltigen eines Dings als Vernunfturteil abhängig und dadurch eingeschränkt wird, so ist dieses Geschmacksurteil nicht mehr ein freies und reines Geschmacksurteil.

Zwar gewinnt der Geschmack durch die Verbindung von ästhetischem und intellektuellem Wohlgefallen dadurch, dass er nicht als allgemeiner fixiert wird und dennoch bei gewissen zweckmäßig bestimmten Objekten Regeln vorgeschrieben bekommt. Diese Regeln sind dann aber auch keine Regeln des Geschmacks, sondern nur solche der Vereinbarung des Geschmacks mit der Vernunft, das heißt des Schönen mit dem Guten, durch die es zum Instrument der Absicht zum Guten brauchbar wird. Damit wird die Gemütsstimmung, die sich selbst erhält und von subjektiver, allgemeiner Gültigkeit ist, derjenigen Denkart unterlegt, die sonst nur mühsam erhalten werden kann, wenn sie auch objektiv allgemeingültig ist. Eigentlich gewinnt weder die Vollkommenheit durch die Schönheit, <B51/52> noch die Schönheit durch die Vollkommenheit. Wenn wir aber unvermeidlicherweise die Vorstellung, durch die uns ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objekt, wie es sein soll, durch einen Begriff vergleichen und jene Vorstellung gleichzeitig mit der Empfindung im Subjekt zusammenhalten, dann gewinnt das gesamte Vermögen der Vorstellungskraft in Zusammenstimmung beider Gemütszustände.

Ein Geschmacksurteil wäre hinsichtlich eines Gegenstands eines bestimmten inneren Zwecks nur dann rein, wenn der Urteilende von diesem Zweck keinen Begriff hätte oder im Urteil davon abstrahierte. Dann aber würde dieser Urteilende, obwohl er ein richtiges Geschmacksurteil über den Gegenstand als freie Schönheit fällte, von einem anderen Urteilenden, der die Schönheit am Gegenstand nur als anhängend und zweckhaft gesehene Beschaffenheit betrachtet, trotzdem getadelt und eines falschen Geschmacks beschuldigt werden. Beide aber urteilen in ihrer Art richtig, der eine nach dem, was er vor den Sinnen, der andere nach dem, was er in den Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung kann man so manchen Zwist der Geschmacksrichter über Schönheit beilegen. Man zeigt ihnen, dass der eine sich an die freie und der andere an die anhängende Schönheit halten muss, dass der erstere ein reines und der zweite ein angewandtes Geschmacksurteil fällt.



<B52/53> § 17. Vom Ideal der Schönheit



Es kann keine objektive Geschmacksregel geben, die durch Begriffe bestimmen würde, was schön ist. Ein jegliches Urteil, das das Schöne betrifft, ist ästhetisch. Das heißt, sein Bestimmungsgrund ist nicht ein Begriff eines Objekts, sondern das Gefühl des Subjekts. Ein Prinzip des Geschmacks zu suchen, das das allgemeine Kriterium des Schönen durch bestimmte Begriffe angibt, ist eine fruchtlose Bemühung und an sich selbst ein Widerspruch. Die allgemeine Mitteilbarkeit der Empfindung des Wohlgefallens oder Mißfallens ohne Begriff und die weitgehende Einhelligkeit aller Zeiten und Völker in Betreff dieses Gefühls in der Vorstellung gewisser Gegenstände sind ein empirisches Kriterium. Dieses wenn auch schwache und kaum für eine Vermutung ausreichende Kriterium eines an Beispielen bewährten Geschmacks stammt von einem tief verborgenen, allen Menschen gemeinschaftlichen Grund in der Beurteilung derjenigen Formen, die ihnen die Gegenstände geben.

Deswegen sieht man einige Produkte des Geschmacks als exemplarisch an. Geschmack kann nicht erworben werden, indem er einen anderen Geschmack nachahmt. Wer <B53/54> ein Muster nachahmt und trifft, zeigt zwar Geschicklichkeit. Aber Geschmack zeigt er nur, wenn er dieses Muster selbst beurteilen kann.((Die Muster des Geschmacks bei den redenden Künsten müssen in einer toten und gelehrten Sprache abgefasst sein: in einer toten Sprache, um nicht die Veränderungen zu erdulden, die die lebenden Sprachen unvermeidlicherweise betreffen, sodass edle Ausdrücke platt, gewöhnliche alt und neugeschaffene nur kurz in Umlauf sind; in einer gelehrten Sprache, damit sie bei unveränderlichen Regeln einer Grammatik keinem mutwilligen Wechsel der Mode unterliegt.)) Daraus folgt, dass das höchste Muster und Urbild des Geschmacks eine bloße Idee ist, die jeder in sich selbst hervorbringen und dergemäß er beurteilen muss, was Beispiel der Beurteilung, Objekt des Geschmacks, ja sogar jedermanns Geschmack selbst ist.

Idee bedeutet eigentlich Vernunftbegriff. Dagegen bedeutet Ideal die Vorstellung eines einzelnen Wesens, das einer Idee adäquat ist. Daher sollte das Urbild des Geschmacks, das freilich auf einer unbestimmten Idee der Vernunft von einem Maximum beruht und nicht durch Begriffe, sondern nur in einzelner Darstellung vorgestellt werden kann, besser das Ideal des Schönen genannt werden. Wir sind bestrebt, eine solches Ideal in uns hervorzubringen, auch wenn wir nicht in seinem Besitz sind. Es wird nur ein Ideal der Einbildungskraft sein, weil es nicht auf Begriffen, sondern auf <B54/55> Darstellung beruht. Das Vermögen der Darstellung aber ist die Einbildungskraft.

Wie gelangen wir nun zu einem solchen Ideal der Schönheit? A priori oder empirisch? Und welche Gattung des Schönen ist eines Ideals fähig? Zuerst ist wohl anzumerken, dass die Schönheit, zu der ein Ideal gesucht wird, keine vage, sondern eine von objektiver Zweckmäßigkeit begrifflich fixierte Schönheit sein muss. Sie darf keinem Objekt eines ganz reinen, sondern nur teilweise intellektuierten Geschmacksurteils angehören. Das heißt, in welcher Art von Gründen der Beurteilung ein Ideal auch immer stattfindet, es muss eine Idee der Vernunft nach bestimmten Begriffen zugrunde liegen, die a priori den Zweck der inneren Möglichkeit des Gegenstands bestimmt. Ein Ideal schöner Blumen, eines schönen Ameublements, einer schönen Aussicht lässt sich nicht denken. Aber auch von einer bestimmten Zwecken anhängenden Schönheit lässt sich kein Ideal vorstellen, zum Beispiel von einem schönen Wohnhaus, Baum oder Garten. Vermutlich sind die Zwecke durch ihren Begriff nicht ausreichend bestimmt und fixiert. So ist die Zweckmäßigkeit fast so frei wie bei der vagen Schönheit. Der Mensch muss seine Zwecke durch Vernunft selbst bestimmen oder durch eine von außen aufgenötigte Wahrnehmung hernehmen und doch diese zugleich mit den wesentlichen und allgemeinen <B55/56> Zwecken zusammenhalten, um sie in dieser Zusammenstimmung schließlich auch ästhetisch beurteilen zu können. Nur was den Zweck seiner Existenz in sich hat: dieser Mensch allein ist eines Ideals der Schönheit fähig, so wie die Menschheit in seiner Person zur Intelligenz des Ideals der Vollkommenheit aller Gegenstände in der Welt fähig ist.

Dazu gehören aber zwei Stücke. Zum einen ist die ästhetische Normalidee eine einzelne Anschauung der Einbildungskraft, die das Richtmaß der Beurteilung etwa eines zu einer besonderen Tierspezies gehörigen Dings vorstellt. Die Vernunftidee macht zweitens die sinnlich nicht vorstellbaren Zwecke der Menschheit zum Prinzip der Beurteilung der Gestalt des Dings, durch die sich jene Zwecke als eine Wirkung in der Erscheinung offenbaren. Die Normalidee muss ihre Elemente für die Gestalt etwa eines Tiers einer besonderen Gattung der Erfahrung entnehmen. Aber die größte Zweckmäßigkeit in der Konstruktion der Gestalt, die als allgemeines Richtmaß der ästhetischen Beurteilung jedes Einzelnen dieser Spezies dient, liegt doch allein in der Idee des Beurteilenden. Es ist das Bild, das der Technik der Natur gleichsam absichtlich zugrunde lag und dem nur die Gattung im Ganzen, kein Einzelnes aber abgetrennt adäquat ist. Diese Idee des Beurteilenden kann mit ihren Proportionen als ästhetische Idee in einem Musterbild völlig in concreto dargestellt werden. Wir wollen eine psychologische Erklärung versuchen, um nur einigermaßen <B56/57> begreiflich zu machen, wie das zugeht. Denn wer kann der Natur ihr Geheimnis ganz entlocken?

Das Folgende ist anzumerken. Auf eine uns ganz unbegreifliche Art kann die Einbildungskraft gelegentlich nicht nur die Zeichen für Begriffe von vor langer Zeit zurückrufen. Sie kann auch das Bild und die Gestalt eines Gegenstands aus einer unaussprechlichen Anzahl von Gegenständen verschiedener Art oder auch ein und derselben Art reproduzieren. Sie kann aber auch, wenn es das Gemüt auf Vergleiche anlegt, allem Vermuten nach wirklich, wenn auch nicht hinreichend bewußt gleichsam ein Bild auf das andere fallen lassen und durch die Kongruenz mehrerer derselben Art ein Mittleres herausbekommen. Dieses dient dann allen zum gemeinsamen Maß.

Jemand hat tausend erwachsene Mannspersonen gesehen. Will er nun über die im Vergleich zu schätzende Normgröße urteilen, so lässt meiner Meinung nach die Einbildungskraft eine große Zahl, vielleicht alle tausend Bilder aufeinander fallen. Und wenn mir erlaubt ist, die Analogie der optischen Darstellung im Raum zusammen mit den meisten Personen und im Umriss in der Aufhellung des Platzes durch die am stärksten aufgetragene Farbe anzuwenden, so wird eine mittlere Größe erkennbar. Diese ist sowohl der Höhe wie der Breite nach von den <B57/58> größten und den kleinsten Staturen gleich weit entfernt. Das ist dann die Statur eines schönen Manns. Man könnte dasselbe mechanisch herausbekommen, wenn man alle tausend mäße, ihre Höhen, Breiten und Dicken für sich addierte und die Summe durch tausend dividierte. Die Einbildungskraft tut genau das in einem dynamischen Effekt, der der Wirkung vielfältiger Auffassung solcher Gestalten auf das Organ des inneren Sinnes entspringt. Wenn nun auf ähnliche Art für diesen mittleren Mann der mittlere Kopf und für diesen Kopf die mittlere Nase und so weiter gesucht wird, dann liegt die Gestalt der Normalidee des schönen Mannes in jenem Land zugrunde, wo dieser Vergleich angestellt wird. Daher muss ein Neger notwendig unter diesen empirischen Bedingungen eine andere Normalidee der Schönheit der Gestalt haben als ein Weißer, der Chinese eine andere als der Europäer. Beim Muster eines schönen Pferds oder Hunds von gewisser Rasse würde es genau so geschehen.

Diese Normalidee ist nicht von Proportionen als bestimmten Regeln abgeleitet, die der Erfahrung entnommen sind. Erst mit der Erfahrung werden die Regeln der Beurteilung möglich. Die Normalidee ist für die ganze Gattung das Bild, das zwischen den einzelnen verschiedenen Anschauungen der Individuen schwebt und das die Natur dem Urbild ihrer Erzeugungen in derselben Spezies unterlegt, aber in keinem einzelnen Bild völlig erreicht <B58/59> zu haben scheint. Sie ist keineswegs das ganze Urbild der Schönheit in dieser Gattung, sondern nur die Form, die die unverzichtbare Bedingung aller Schönheit ausmacht. Sie ist daher nur die Richtigkeit in der Darstellung der Gattung. Sie ist, wie man Polyklets berühmten Doryphorus nannte, die Regel, zu der auch Myrons Kuh in ihrer Gattung gebraucht werden konnte. Deswegen kann sie auch nichts Spezifisch-Charakteristisches enthalten, denn sonst wäre sie für die Gattung nicht die Normalidee. Ihre Darstellung gefällt auch nicht durch Schönheit, sondern weil sie keiner Bedingung widerspricht, mit der ein Ding dieser Gattung allein schön sein kann. Die Darstellung ist nur schulgerecht.((Man wird finden, dass ein vollkommen regelmäßiges Gesicht, das der Maler zum Modell zu sitzen bittet, für gewöhnlich nichts sagt. Es enthält nichts Charakteristisches, enthält also mehr die Idee der Gattung, als dass es das Spezifische einer Person ausdrückt. Das Charakteristische oder Übertriebene jedoch, das der Normalidee der Zweckmäßigkeit der Gattung Abbruch tut, heißt Karikatur. Auch zeigt die Erfahrung unter der Annahme, dass die Natur im Äußeren die Proportionen des Inneren ausdrückt, dass jene regelmäßigen Gesichter im Inneren für gewöhnlich nur einen <B59/60> mittelmäßigen Menschen verraten. Der Grund dafür ist vermutlich der folgende. Wenn keine der Gemütsanlagen aus der erforderlichen Proportion eines nur fehlerfreien Menschen heraussticht, darf nichts vom Genie erwartet werden, in dem die Natur zum Vorteil einer einzigen Gemütskraft von ihren gewöhnlichen Verhältnissen der Gemütskräfte abzugehen scheint.))

Noch ist von der Normalidee des Schönen das Ideal desselben zu unterscheiden. Man darf es aus den schon angeführten Gründen nur bei der menschlichen Gestalt erwarten. Bei dieser Gestalt besteht das Ideal im Ausdruck des Sittlichen, ohne das <B59/60> der Gegenstand nicht allgemein und noch dazu positiv gefallen würde, das heißt nicht nur negativ in schulgerechter Darstellung. Der sichtbare Ausdruck sittlicher Ideen, die den Menschen innerlich beherrschen, kann zwar nur aus Erfahrung genommen werden. Unsere Vernunft verknüpft in der Idee der höchsten Zweckmäßigkeit mit dem Sittlich-Guten die körperlich geäußerten Wirkungen des Inneren etwa der Seelengüte, Reinheit, Stärke und Ruhe. Um aber die Verbindung jener sittlichen Ideen mit der Idee der höchsten Zweckmäßigkeit sichtbar zu machen, braucht es reine Ideen der Vernunft. Es braucht die Macht der Einbildungskraft in jenen vereinigt, die sie beurteilen und mehr noch darstellen wollen.

Die Richtigkeit dieses Ideals der Schönheit zeigt sich darin, dass es keinem Sinnenreiz erlaubt, sich in das Wohlgefallen am Objekt einzumischen, und an ihm dennoch großes Interesse haben lässt. Somit ist bewiesen, dass die Beurteilung nach einem solchen Maßstab nie rein ästhetisch und <B60/61> bloß ein Urteil des Geschmacks nach einem Ideal der Schönheit sein kann.

Aus diesem dritten Moment geschlossene Erklärung des Schönen

Schönheit ist die Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstands, sofern sie ohne Vorstellung eines Zwecks an ihm wahrgenommen wird.((Man könnte gegen diese Erklärung anführen, dass es Dinge gibt, an denen man eine zweckmäßige Form sieht, ohne an ihnen einen Zweck zu erkennen. So werden etwa die aus alten Grabhügeln gezogenen, mit einem Loch als zu einem Heft versehenen steinernen Geräte nicht für schön erklärt. Und doch verraten sie in ihrer Gestalt deutlich eine Zweckmäßigkeit, auch wenn man deren Zweck nicht kennt. Aber dass man sie für ein Kunstwerk hält, reicht schon aus, um einzugestehen, dass man ihre Figur auf irgendeine Absicht und einen bestimmten Zweck bezieht. Daher gibt ihre Anschauung kein unmittelbares Wohlgefallen. Eine Blume dagegen, etwa eine Tulpe, wird für schön gehalten, weil in ihrer Wahrnehmung eine gewisse Zweckmäßigkeit angetroffen wird, die in der Weise unserer Beurteilung auf keinen Zweck bezogen wird.))



<B61/62> Viertes Moment des Geschmacksurteils nach der Modalität des Wohlgefallens am Gegenstand



§ 18. Was die Modalität eines Geschmacksurteils ist



Ich kann von jeder Vorstellung sagen, dass es wenigstens möglich ist, dass sie als Erkenntnis mit Lust verbunden ist. Von dem, was ich angenehm nenne, sage ich, dass es in mir wirklich Lust bewirkt. Vom Schönen aber denke ich mir, dass es eine notwendige Beziehung auf das Wohlgefallen hat. Diese Notwendigkeit ist von besonderer Art. Es ist nicht eine theoretische, objektive Notwendigkeit, bei der a priori erkannt wird, dass jeder dieses Wohlgefallen an dem Gegenstand fühlen wird, der von mir schön genannt wird. Es ist auch nicht eine praktische Notwendigkeit, bei der dieses Wohlgefallen durch Begriffe eines reinen Vernunftwillens die Regel für frei handelnde Wesen und eine notwendige Folge eines objektiven Gesetzes ist. Diese praktische Notwendigkeit würde nämlich nichts anderes bedeuten, als dass man einfach ohne weitere Absicht auf eine gewisse Art handeln soll. Diese Notwendigkeit kann vielmehr nur als eine exemplarische Notwendigkeit der Beistimmung aller zu einem <B62/63> Urteil genannt werden, das als ästhetisch gedacht wird. Sie wird wie das Beispiel einer allgemeinen Regel angesehen, die man nicht angeben kann. Da ein ästhetisches Urteil weder ein objektives, noch ein Erkenntnisurteil ist, kann die Regel nicht aus bestimmten Begriffen abgeleitet werden. Sie ist also nicht apodiktisch. Um so weniger kann sie aus der Allgemeinheit der Erfahrung geschlossen werden, die aus einer durchgängigen Einhelligkeit der Urteile über die Schönheit eines gewissen Gegenstands hervorgeht. Nicht nur, dass die Erfahrung dazu kaum hinreichend viele Belege schaffen würde, es lässt sich nicht einmal ein Begriff der Notwendigkeit auf diese empirischen Urteile stellen.



§ 19. Die subjektive Notwendigkeit, die wir dem Geschmacksurteil beilegen, ist bedingt



Das Geschmacksurteil sinnt jedem Beistimmung an. Wer etwas für schön erklärt, will, dass alle dem vorliegenden Gegenstand Beifall geben und ihn für schön erklären sollen. Das Sollen im ästhetischen Urteil wird jedoch bei allen Gegebenheiten, die zur Beurteilung erforderlich sind, nur bedingt ausgesprochen. Man wirbt um eines jeden Beistimmung, weil man dazu einen Grund hat, der allen gemein ist. Auf diese Beistimmung kann man auch zählen, wenn man nur sicher ist, dass <B63/64> der Fall mit jenem Grund als die Regel des Beifalls richtig subsumiert ist.



§ 20. Die Bedingung der Notwendigkeit, die ein Geschmacksurteil vorgibt, ist die Idee eines Gemeinsinns



Wenn Geschmacksurteile so wie Erkenntnisurteile ein bestimmtes objektives Prinzip hätten, dann würde derjenige, der sie durch dieses Prinzip fällt, auf eine unbedingte Notwendigkeit seines Urteils Anspruch erheben. Wären sie wie die Urteile des reinen Sinnengeschmacks ohne irgend ein Prinzip, dann würde man sich Notwendigkeit bei ihnen nicht einfallen lassen. Somit müssen sie ein subjektives Prinzip haben, das nur durch Gefühl und nicht durch Begriffe, dafür aber allgemeingültig bestimmt, was gefällt oder mißfällt. Ein solches Prinzip kann nur als Gemeinsinn angesehen werden. Er ist wesentlich vom gemeinen Verstand unterschieden, der auch manchmal Gemeinsinn (sensus communis) genannt wird. Dieser Gemeinsinn urteilt nicht nach Gefühl, sondern nach Begriffen, wenn auch diese für gewöhnlich nur nach dunklen Prinzipien vorgestellt sind. Ich sage also, dass das Geschmacksurteil nur unter der Voraussetzung gefällt werden kann, dass es einen solchen Gemeinsinn gibt, unter welchem wir aber keinen äußeren Sinn, sondern die Wirkung aus dem freien Spiel unserer Erkenntniskräfte <B64/65> verstehen.



§ 21. Ob man mit Grund einen Gemeinsinn voraussetzen kann



Erkenntnisse und Urteile müssen sich allgemein mit der Überzeugung mitteilen lassen, die sie begleitet. Sonst käme ihnen keine Übereinstimmung mit dem Objekt zu. Sie wären insgesamt nur ein subjektives Spiel der Vorstellungskräfte, wie es der Skeptizismus will. Sollen sich Erkenntnisse mitteilen lassen, so muss sich auch der Gemütszustand, das heißt, die Stimmung der Erkenntniskräfte zu einer Erkenntnis überhaupt allgemein mitteilen lassen. Es muss sich diejenige Proportion mitteilen lassen, die sich für eine Vorstellung eines Gegenstands gebührt, damit aus ihr Erkenntnis gewonnen wird. Ohne diese Proportion als subjektive Bedingung des Erkennens könnte Erkenntnis als Wirkung nicht entspringen. Das geschieht auch wirklich immer dann, wenn durch die Sinne ein gegebener Gegenstand die Einbildungskraft zum einen zur Zusammensetzung des Mannigfaltigen veranlasst, zum anderen den Verstand zur Einheit in Begriffen. Diese Stimmung der Erkenntniskräfte hat dann nach der Verschiedenheit der gegebenen Objekte auch eine <B65/66> unterschiedliche Proportion. Trotzdem muss es aber eine Stimmung geben, in der dieses innere Verhältnis zur Belebung der einen Gemütskraft durch die andere die zuträglichste Stimmung für beide in Bezug auf die Erkenntnis gegebener Gegenstände abgibt. Diese Stimmung kann nicht anders als durch das Gefühl und damit nicht nach Begriffen bestimmt werden. Da sich die Stimmung nun allgemein mitteilen lassen muss und damit auch bei einer gegebenen Vorstellung ihr Gefühl, so wird doch die allgemeine Mitteilbarkeit eines Gefühls einen Gemeinsinn voraussetzen und mit Recht annehmen lassen. Dieser Gemeinsinn wird nicht auf psychologischen Beobachtungen fußen, sondern notwendige Bedingung der allgemeinen Mitteilbarkeit unserer Erkenntnis sein. Diese Bedingung muss in jeder Logik und jedem Prinzip der Erkenntnis vorausgesetzt werden, das nicht skeptisch ist.



§ 22. Die Notwendigkeit der allgemeinen Zustimmung, die in einem Geschmacksurteil gedacht wird, ist eine subjektive Notwendigkeit, die unter Voraussetzung eines Gemeinsinns als objektiv vorgestellt wird



Wir erlauben niemandem, bei Urteilen, durch die wir etwas für schön erklären, anderer Meinung zu <B66/67> sein. Das tun wir, ohne dass wir unser Urteil auf Begriffe, sondern allein auf unser Gefühl gründen. Wir legen dieses Gefühl also nicht als Privatgefühl, sondern als ein gemeinschaftliches Gefühl zugrunde. So kann unter diesem Aufwand der Gemeinsinn nicht auf Erfahrung gegründet werden. Denn er will zu Urteilen berechtigen, die ein Sollen enthalten. Er sagt nicht, dass jeder mit unserem Urteil übereinstimmen wird, sondern soll. Daher ist der Gemeinsinn, dessen Urteil ich hier als Beispiel meines Geschmacksurteils angebe und dem ich deswegen exemplarische Gültigkeit beilege, auch nur eine idealische Norm. Diese vorausgesetzt, könnte man ein Urteil, das mit dieser Norm zusammenstimmt, sowie das in ihm ausgedrückte Wohlgefallen an einem Objekt mit Recht jedem zur Regel machen. Dieses Prinzip könnte die allgemeine Beistimmung zwar nur subjektiv, aber subjektiv-allgemein als eine bei jedem notwendig angenommene Idee in betreff der Einhelligkeit verschiedener Urteilenden wie ein objektives Prinzip fordern. Man müsste nur sicher sein, richtig subsumiert zu haben. Diese unbestimmte Norm eines Gemeinsinns wird in der Tat von uns vorausgesetzt. Unsere Anmaßung, Geschmacksurteile zu fällen, beweist das.

Fraglich ist: Gibt es einen solchen Gemeinsinn als konstitutives Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung wirklich? Oder macht nur ein noch höheres Prinzip der Vernunft uns zum regulativen <B67/68> Prinzip, zuerst einen Gemeinsinn in uns zu höheren Zwecken hervorzubringen? – Ist der Geschmack ein ursprüngliches und natürliches Vermögen? Oder ist er nur die Idee eines noch zu erwerbenden künstlichen Vermögens, sodass ein Geschmacksurteil mit der Zumutung einer tatsächlichen, allgemeinen Beistimmung nur die Vernunftforderung ist, eine solche Einhelligkeit der Sinnesart hervorzubringen? – Bedeutet das Sollen, das heißt die objektive Notwendigkeit des Zusammenfließens des Gefühls von jedermann mit jedermanns anderem besonderen Gefühl nur die Möglichkeit, Eintracht zu erlangen? Oder stellt das Geschmacksurteil nur ein Beispiel von der Anwendung dieses Prinzips auf? Das alles wollen und können wir hier noch nicht untersuchen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir nur das Geschmacksvermögen in seine Elemente aufzulösen und es zuletzt in der Idee eines Gemeinsinns zu vereinigen.

Aus dem vierten Moment gefolgerte Erklärung vom Schönen

Schön ist, was als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens ohne Begriff erkannt wird.



Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitt der Analytik



Zieht man das Resultat aus obigen Zergliederungen, so findet sich, dass alles auf den Begriff des Geschmacks hinausläuft. Er ist das Beurteilungsvermögen <B68/69> eines Gegenstands in Bezug auf die freie Gesetzmäßigkeit der Einbildungskraft. Wenn nun im Geschmacksurteil die Einbildungskraft in ihrer Freiheit betrachtet werden muss, so wird sie zuerst nicht als reproduktiv angenommen, wie den Assoziationsgesetzen unterworfen, sondern als produktiv selbsttätig und Urheberin willkürlicher Formen möglicher Anschauungen. Mag sie auch bei der Auffassung eines gegebenen Gegenstands der Sinne an seine bestimmte Form gebunden sein und insofern kein freies Spiel wie beim Dichten haben, so lässt sich immerhin begreifen, dass der Gegenstand ihr gerade eine solche Form der Zusammensetzung des Mannigfaltigen an die Hand geben kann, wie sie eine sich selbst überlassene Einbildungskraft in Übereinstimmung mit Verstandesgesetzmäßigkeit überhaupt entwerfen würde. Ein Widerspruch ist nur, dass die Einbildungskraft frei und doch von selbst gesetzmäßig ist, das heißt, Autonomie mit sich führt. Der Verstand allein gibt das Gesetz. Wenn aber die Einbildungskraft nach einem bestimmten Gesetz zu verfahren genötigt wird, so wird ihr Produkt, wie es sein soll, der Form nach durch Begriffe bestimmt. Dann aber ist das Wohlgefallen, wie oben gezeigt, nicht eines am Schönen, sondern eines am Guten und an der Vollkommenheit, allenfalls der rein formalen Vollkommenheit. Das Urteil wäre keines, das durch Geschmack erfolgte.

Indem beim Verstand die Vorstellung auf einen bestimmten Begriff von einem Gegenstand bezogen wird, wird nur eine Gesetzmäßigkeit ohne Gesetz oder eine subjektive Übereinstimmung der Einbildungskraft mit dem Verstand bestehen können. Das gibt es aber nur mit seiner freien Gesetzmäßigkeit einer Zweckmäßigkeit ohne Zweck und der Eigentümlichkeit eines Geschmacksurteils allein.

<B69/70> Geometrisch-regelmäßige Gestalten, etwa Kreis, Quadrat oder Würfel, werden von Kritikern des Geschmacks für gewöhnlich als die einfachsten und unzweifelhaftesten Beispiele der Schönheit angeführt. Doch sie werden regelmäßig genannt, weil man sie nicht anders als bloße Darstellungen eines bestimmten Begriffs ansehen kann. Dieser Begriff schreibt jenen Gestalten die Regel vor, nach der allein sie möglich sind. Es muss also eines von beiden falsch sein – entweder das Urteil der Kritiker, den gedachten Gestalten Schönheit beizulegen, oder unser Urteil, das zur Schönheit eine Zweckmäßigkeit ohne Begriff für nötig erachtet.

Niemand wird so ohne weiteres einen Menschen von Geschmack nötigen, mehr Wohlgefallen an einem Kreis als an einem dahingekritzelten Umriss oder mehr an einem gleichseitigen und gleicheckigen als an einem schiefen, ungleichseitigen, gleichsam verkrüppelten Viereck zu finden. Dazu gehört nämlich nur gemeiner Verstand und überhaupt kein Geschmack. Wo die Absicht wahrgenommen wird, die Größe eines Platzes zu beurteilen oder in einer Einteilung das Verhältnis der Teile zueinander und zum Ganzen fasslich zu machen, sind regelmäßige Gestalten nötig und zwar die der einfachsten Art. Das Wohlgefallen beruht nicht unmittelbar auf dem Anblick der Gestalt, sondern der Brauchbarkeit derselben zu allerlei möglichen Absichten. Ein Zimmer, dessen Wände schiefe Winkel haben, ein genau so gearteter Gartenplatz, ja jede Verletzung der Symmetrie sowohl in der Gestalt etwa einäugiger Tiere, in der von Gebäuden oder Blumenstücken mißfallen. Sie sind zweckwidrig, nicht allein praktisch in Bezug auf einen bestimmten Gebrauch, sondern auch in allerlei möglicher Hinsicht für die Beurteilung. Genau das ist aber nicht der <B70/71> Fall beim Geschmacksurteil, wenn es das Wohlgefallen oder Mißfallen rein und ohne Rücksicht auf Gebrauch oder Zweck mit der bloßen Betrachtung des Gegenstands unmittelbar verbindet.

Es ist zwar die Regelmäßigkeit, die zum Begriff eines Gegenstands führt, die unentbehrliche Bedingung (conditio sine qua non) davon, einen Gegenstand in einer einzigen Vorstellung zu fassen und das Mannigfaltige in seiner Form zu bestimmen. Diese Bestimmung ist ein Zweck in Anbetracht von Erkenntnis. In Beziehung auf diese Erkenntnis ist sie auch mit einem Wohlgefallen verbunden, das die Bewirkung einer nur problematischen Hinsicht begleitet. Aber dann ist es nur die Billigung der Auflösung einer Aufgabe und nicht die freie und unbestimmt zweckmäßige Unterhaltung der Gemütskräfte durch das, was wir schön nennen. Dabei wäre dann auch der Verstand der Einbildungskraft zu Diensten und nicht diese jenem.

An einem Ding, das wie bei einem Gebäude oder sogar einem Tier nur durch Absicht möglich ist, muss die Regelmäßigkeit, die in der Symmetrie besteht, die Einheit der Anschauung ausdrücken. Sie begleitet den Begriff des Zwecks, sie gehört mit zur Erkenntnis. Wo aber nur ein freies Spiel der Vorstellungskräfte in Lustgärten, Stubenverzierungen oder an geschmackvollem Gerät unter derjenigen Bedingung unterhalten werden soll, dass der Verstand keinen Anstoß erfährt, wird zwanghafte Regelmäßigkeit so weit wie möglich vermieden. Daher treibt der englische Geschmack in Gärten und der Barockgeschmack bei Möbeln die Freiheit der Einbildungskraft an die Grenze des Grotesken. Der Geschmack zeigt dann eben in der Fernhaltung allen Regelzwangs <B71/72> an den Entwürfen der Einbildungskraft seine größte Vollkommenheit.

Alles Steife in der Nähe mathematischer Regelmäßigkeit hat das Geschmackswidrige an sich, dass es in der Betrachtung keine andauernde Unterhaltung gewährt, sondern langweilt, es sei denn, Erkenntnis oder ein bestimmter praktischer Zweck ist ausdrücklich die Absicht. Dagegen ist uns das, womit die Einbildungskraft zweckmäßig und ungesucht spielt, immer neu. Seines Anblicks wird man dann nicht überdrüssig. Marsden macht in seiner Beschreibung von Sumatra die Bemerkung, dass dort die freien Schönheiten der Natur den Zuschauer überall umgeben und ihn daher nur mehr wenig anziehen. Dagegen hatte für ihn ein Pfeffergarten mit Stangen für das Ranken des Gewächses in Parallellinien wie bei Alleen dann viel Reiz, wenn er ihn mitten in einem Wald antraf. Daraus schließt er, dass wilde, anscheinend regellose Schönheiten zur Abwechslung nur demjenigen gefallen, der sich an den regelmäßigen Schönheiten satt gesehen hat. Er musste nur den Versuch unternehmen, sich einen Tag in seinem Pfeffergarten aufzuhalten. Dann wurde er gewahr, dass ihn der Gegenstand, wenn sich der Verstand zur überall nötigen Ordnung durch Regelmäßigkeit in Stimmung versetzte, nicht länger unterhielt, sondern einen lästigen Zwang der Einbildungskraft auferlegte. Dagegen konnte diejenige Natur seinem Geschmack eine beständige Nahrung geben, die an Mannigfaltigkeiten bis zur Üppigkeit verschwenderisch und dabei keinem Zwang künstlicher Regeln unterworfen war.

Selbst der Gesang der Vögel, den wir unter keine musikalische Regel stellen können, scheint mehr Freiheit und darum mehr für den Geschmack bereit zu halten als sogar der menschliche Gesang, der <B72/73> nach allen Regeln der Tonkunst ausgeführt wird. Man wird des letzteren, wenn er oft und lange wiederholt wird, weit eher überdrüssig. Nur, hier verwechseln wir vermutlich unsere Teilnahme an dem Belustigenden eines kleinen, beliebten Tierchens mit der Schönheit seines Gesangs. Er erscheint unserem Ohr geschmacklos, wenn er von Menschen genau nachgeahmt wird, wie es manchmal mit dem Schlagen der Nachtigall geschieht.

Schließlich sind schöne Gegenstände von schönen Ausblicken auf Gegenstände zu unterscheiden, die aufgrund der Entfernung öfters nicht mehr deutlich erkannt werden können. Bei diesen Ausblicken scheint der Geschmack nicht so sehr an dem zu haften, was die Einbildungskraft hier auffasst, sondern an dem, was sie dabei zu dichten Anlass bekommt. Sie scheint also an den eigentlichen Phantasien zu haften, mit denen sich das Gemüt unterhält, sodass es durch die Mannigfaltigkeit, auf die das Auge stößt, kontinuierlich geweckt wird. Das ist beim Anblick sich ändernder Gestalten eines Kaminfeuers oder eines rieselnden Baches der Fall. Beide sind keine Schönheiten, haben aber für die Einbildungskraft dennoch einen Reiz, indem sie ihr freies Spiel unterhalten.



für diese Edition © Peter Mahr 2010